Das unwürdige Geschacher um gefährlichen Fluglärm

Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über die Rechtmäßigkeit der Südumfliegung am Frankfurter Flughafen. Das Verfahren zeigt, warum die Praxis zur Festlegung von Flugrouten reformiert werden muss.

In Dortmund haben Anwohner gegen längere Nachtlandezeiten geklagt und Recht bekommen. In Leipzig müssen Stadt und Flughafen einen kompletten Schallschutzwald anpflanzen, um die empörten Bürger zu beruhigen.

In Brandenburg wurde schon jetzt ein Volksbegehren gegen einen möglichen Ausbau des Hauptstadtflughafens auf den Weg gebracht – obwohl der BER (Link: http://www.welt.de/themen/flughafen-berlin-brandenburg-ber/) noch lange nicht eröffnet ist. Und es wird in den Kommunen rund um den Airport schon heftig gestritten, auf welchen Routen (Link: http://www.welt.de/115414422) wann am Tag wie geflogen werden sollte.

In Hamburg gingen in den ersten neun Monaten 6500 Beschwerden wegen Fluglärms ein, 3000 mehr als ein Jahr zuvor. Gerade wurden wieder zwei neue Bürgerinitiativen an der Elbe gegründet.

Der Luftraum über Deutschland ist hart umkämpft wie nie zuvor. Fluglärm (Link: http://www.welt.de/themen/fluglaerm/) ist mittlerweile bundesweit ein gewaltiger Aufreger, und die Bürger wehren sich immer vehementer dagegen. Es gibt fast keinen Zipfel mehr in der Republik, wo das Thema nicht in irgendeiner Form die Gemüter erhitzt. Sind es nicht die Groß- oder Regional-Airports, deren Geräusche die Anwohner nerven, stören Militärjets wie in der Eifel, Touristenrundflüge wie über Hamburg oder die Maschinen ausländischer Flughäfen wie Zürich, die tief über den südlichen Schwarzwald (Link: http://www.welt.de/133261276) Richtung Schweiz rauschen. Und nirgendwo mehr nehmen die Anwohner den Lärm einfach so hin.

Vor allem im Rhein-Main-Gebiet, rund um Deutschlands größten Flughafen (Link: http://www.welt.de/themen/flughafen-frankfurt/) , will seit der Eröffnung der Nordwestlandebahn Ende Oktober 2011 keine Ruhe einkehren in die Debatte. Bei mehr als 150 Montagsdemonstrationen haben Kommunen und Privatleute ihrem Ärger bereits mitten im Flughafen Luft gemacht. Die Zahl der Klagen ist kaum mehr übersehbar, auch das Bundesverfassungsgericht hatte schon mehrere Klageanträge auf dem Tisch, bisher aber alle abgelehnt. Wegen der nicht enden wollenden Proteste starten Hessen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg nun sogar eine Bundesratsinitiative, die das gesamte Luftverkehrsgesetz ins Visier nimmt.

Der Vorstoß trägt dem Rechnung, was bundesweit Trend zu sein scheint: Die Anwohner verlangen, dass im Gesetz endlich der Lärmschutz mehr Gewicht bekommt. Und sie verlangen, bei der Planung von Flugrouten beteiligt zu werden. Das Problem ist jedoch, dass sich Lärm nicht einfach so wegplanen lässt durch andere Strecken. Werden Maschinen um ein bisher stark belastetes Gebiet herumgelenkt, dann trifft es künftig eben den Nachbarn.

Außen herum ist manchmal auch nicht besser
Ein Beispiel dafür, wie schwierig die Lage geworden ist und wie gnadenlos mittlerweile jeder gegen jeden kämpft, wird am Donnerstag in Leipzig verhandelt. Es geht um ein spektakuläres Urteil, das vor zweieinhalb Jahren beim Verwaltungsgericht Kassel gefallen war. Völlig überraschend hatte das Gericht die sogenannte Südumfliegung des Flughafens Frankfurt für rechtswidrig erklärt (Link: http://www.welt.de/119679527) .
Geklagt hatten ein paar Privatleute und Gemeinden aus Rheinland-Pfalz und Hessen, die durch die Route besonders betroffen sind. Es war ein Paukenschlag, mit dem so niemand gerechnet hatte, zumal Kassel auch noch eine Revision untersagte.

Das Bundesamt für Flugsicherung (BAF), das die Flugrouten festlegt, war wie vor den Kopf gestoßen, sein Behördenleiter Nikolaus Herrmann räumte freimütig ein, mit diesem Spruch nicht gerechnet zu haben. Auf sich sitzen lassen wollte Herrmann das Verdikt aber auch nicht, er legte Beschwerde ein. Mit Erfolg: Das Leipziger Bundesverwaltungsgericht nahm sich der Sache tatsächlich an. Am Donnerstag verkünden die Richter nun, ob die Flugroute künftig tatsächlich tabu ist für die Richtung Westen und Norden startenden Jets.

Sollte Leipzig die Entscheidung von Kassel bestätigen, hätten der Flughafen und die Flugsicherung ein gewaltiges Problem. Womöglich müssten sogar die gesamten Abflug- und Landerouten des größten deutschen Airports neu überdacht werden.
Außerdem könnte das Urteil auch für den gesamten deutschen Flugverkehr Folgen haben. Denn in Leipzig geht es ganz zentral um eine Frage, die zwar sehr bürokratisch und formell klingt, für die Festlegung von Routen aber ganz entscheidend ist: Muss das BAF, wenn es eine neue Route plant, nun künftig auch darauf achten, dass die einst bei der Planfeststellung angegebenen Kapazitäten auf dieser Strecke überhaupt erreicht werden können? Zu dieser Frage gibt es noch kein höchstrichterliches Urteil. Aber genau sie hatte die Südumfliegung in Kassel zu Fall gebracht.

Die neue Landebahn macht mehr Ärger als erwartet
Die Südumfliegung ist genau das, was ihr Name sagt: Flugzeuge, die eigentlich nach Norden oder Westen unterwegs sind, machen nach dem Abheben erst einmal eine lange Kurve Richtung Süden, bevor sie in ihre geplante Richtung beidrehen. Damit umfliegen die Maschinen nicht nur vom Dröhnen besonders gebeutelte Kommunen wie Flörsheim, Rüsselsheim oder die Mainzer Innenstadt.
Sie verhindern vor allem, dass sie mit einer Maschine zusammenkrachen, die gerade auf der nördlich gelegenen Nordwest-Landebahn heruntergehen wollte und aus irgendeinem Grund durchstarten musste.

Pikant an dem 2013 gesprochenen Urteil aus Kassel ist, dass es eben nicht aus Gründen des Lärmschutzes (Link: http://www.welt.de/themen/laerm/) gegen die Flugroute gefallen war, sondern streng genommen aus logistischen Gründen. Denn weil die Jets, wenn sie eine Südkurve drehen, wiederum den Maschinen der Startbahn West ins Gehege kommen könnten, müssen die diversen Startbahnen im Reißverschlussverfahren betrieben würden statt unabhängig voneinander.

Damit sind aber die ursprünglich geplanten und beantragten Flugzahlen gar nicht mehr möglich. Und ergo, folgerte das Gericht, gebe es auch keinen Grund, die Südumfliegung überhaupt zu genehmigen.

Tatsächlich hat die Nordwestlandebahn, die während der Regierungszeit von Ex-Ministerpräsident Roland Koch (CDU) geplant worden war, dem Frankfurter Flughafen offenkundig mehr Probleme beschert als geahnt.

Quelle: http://www.welt.de/politik/deutschland/article149777543/Das-unwuerdige-Geschacher-um-gefaehrlichen-Fluglaerm.html (+Video)

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Eine Antwort auf Das unwürdige Geschacher um gefährlichen Fluglärm

  1. Gast61 sagt:

    Es wird Zeit, in der Bundesbehörde BAM-Berlin sofort strafrechtliche Ermittlungen wegen Vorteilsnahme durch einige Luftverkehrsgesellschaften bei der Reisekostenfinanzierung bei Dienstreisen zu veranlassen! Da werden diensreisende Angestellte bei Inlandsreisen gezwungen, ein Flugzeug zu benutzen, obwohl es für die innerdeutschen Städte preiswertere und schnellere Zugverbindungen gibt, z.B. Düsseldorf, Krefeld, Mannheim, München, Hannover, Bonn usw. Es gibt eine seit Jahren eine übele Kungelei mit der Reisekostenstelle der BAM und einigen Fluggesellschaften (Namen sind mir und einigen anderen Kollegen bekannt)
    Wann endlich ermittelt der Staatsanwalt, wann endlich gibt es Hausdurchsuchungen in der BAM? Es wird höchste Zeit, um eine Anarchie zu verhindern.

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