Der unendliche Flughafenbau – die Strafakte BER

§_RECHT_Mario_HausmannHat sich Siemens an der Krise bereichert?

Das BER-Chaos nimmt kein Ende: Siemens und andere Firmen sollen Kapital aus der Krise geschlagen haben. BER-Rechnungsprüfer Carsten von Damm schilderte im Untersuchungsausschuss Fälle überteuerter Rechnungen. Beim Umbau der Entrauchung habe Siemens Arbeiten ohne Gegenleistung abgerechnet – im Wert von 1,9 Mio. Euro. Damm sprach von „Erpressungssituationen“.

Firmen hätten sich nach der geplatzten Eröffnung 2012 gesträubt, mehr Leute auf die Baustelle zu bringen, um Geldforderungen Nachdruck zu verleihen. Brisant auch die Befragung von BER-Chefjurist Gottfried Egger zu Ex-BER-Boss Rainer Schwarz. Ergebnis: Aufsichtsrat und Flughafengesellschaft sollen Schwarz’ Kündigung und den verlorenen Prozess absichtlich halbherzig betrieben haben.

Diesen Eindruck hatte auch der anwesende Politiker Andreas Otto (Grüne). Wichtiger sei es den Verantwortlichen gewesen, im Schadenersatzprozess gegen Air Berlin behaupten zu können, am BER sei gut gearbeitet worden. Diese Strategie sei im Aufsichtsrat beraten worden. Schwarz sicherte sich vor Gericht ca. 1 Mio. Euro.

Quelle: http://www.berliner-kurier.de/kiez-stadt/ber-chaos-hat-sich-siemens-an-der-krise-bereichert-,7169128,32474064.html

________________________________________________________

Der unendliche Flughafenbau – die Strafakte BER

Die BER-Baustelle ist seit 2006 Schauplatz krimineller Machenschaften. Ermittlungen der Staatsanwaltschaft offenbaren Unglaubliches.

Bald zehn Jahre wird nun schon an ihm gebaut, dem künftigen Hauptstadtflughafen BER. Fehlplanungen, Managementfehler, mangelnde Kontrolle und technische Pannen sorgen für ein nicht enden wollendes Debakel. Die staatliche Großbaustelle der Länder Berlin und Brandenburg sowie des Bundes ist dabei auch Schauplatz krimineller Machenschaften. Bisherige Ermittlungen der Staatsanwaltschaft offenbaren, dass sich im Hintergrund mitunter Unglaubliches abspielt.

Stets war die FBB die Geschädigte
Bei der Staatsanwaltschaft Cottbus sind seit Januar 2013 insgesamt 27 Verfahren am BER anhängig gewesen. Davon wurden 19 Verfahren eingestellt, weil die Anzeigenden laut Staatsanwaltschaft keine eigenen Erkenntnisse vortragen konnten oder sich die Anzeigen allein auf Presseberichte stützten.

In acht Verfahren – dazu zählt der Verdacht gegen die Siemens-Mitarbeiter – sehen die Ermittler hingegen einen Anfangsverdacht bestätigt. Stets war die staatliche Flughafengesellschaft FBB die Geschädigte, also der Steuerzahler. „Nähere Auskünfte zu den einzelnen Verfahren und zu beschuldigten Personen kann ich mit Rücksicht auf noch mögliche strafprozessuale Maßnahmen und fehlende gesicherte Ermittlungsergebnisse zurzeit nicht erteilen“, erklärt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft auf Anfrage der Berliner Morgenpost.

Die Berliner Morgenpost listet vier Fälle exemplarisch auf:

Fall 1: Ein Badezimmer für den Verbandschef

Der erste Spatenstich für den neuen Hauptstadt-Airport BER am 5. September 2006 in Schönefeld ist noch nicht gesetzt, da beginnt der Krimi schon. Und zwar bei der Planung und beim Bau der Trinkwasser- und Abwasserdruckleitung. Die Flughafengesellschaft FBB betraut den Märkischen Abwasserzweckverband MAWV in Königs Wusterhausen mit der Auftragsvergabe. Verbandsvorsteher A. nutzt die Gelegenheit, um für sich selbst einiges herauszuholen, wie das Landgericht Cottbus fast zehn Jahre später – am 10. Juli 2015 – urteilen wird. Er soll Vergünstigungen von mehreren Beteiligten angenommen haben. Das örtliche Rohrbauunternehmen RAKW bekommt den Zuschlag für die Verlegung der Wasserleitung, obwohl es bei Weitem nicht das günstigste Angebot abgegeben haben soll. Zwischen 2005 und 2011 werden Aufträge in Höhe von rund elf Millionen Euro an diese Firma vergeben.

Der Vorsteher des MAWV soll Vergünstigungen eines Rohrbauunternehmens angenommen haben

RAKW-Geschäftsführer G. revanchiert sich: Er übergibt dem Verbandschef einen Wochenend-Gutschein für das Spreewald-Nobelhotel „Zur Bleiche“. Laut Anklage sollen zudem bis zu 30.000 Euro Bargeld geflossen sein, was sich vor Gericht aber nicht beweisen lässt. Die Beteiligten geben zu, dass es zu anderen Freundschaftsleistungen kam. Für rund 8000 Euro bekommt der Verbandschef sein Badezimmer im neuen Eigenheim verschönert. Später lässt er die gesponserten Sanitäranlagen wieder abmontieren, aus Furcht, dass man ihm auf die Schliche kommt, sagt er vor Gericht aus. Insgesamt soll er durch mehrere Auftragnehmer Vorteile in Höhe von 35.000 Euro erlangt haben. „Ich habe große Fehler gemacht“, sagt der Verbandsvorsteher vor dem Richter. Er ließ laut Gericht auch einen anderen Unternehmer am Haus arbeiten, ohne dafür zu zahlen. Der erhoffte sich davon offenbar Aufträge des Verbandes.

Die Machenschaften fliegen durch die Finanzbehörde Ende 2008 auf. Mehr als vier Jahre, nachdem die Korruptions-Schwerpunktstaatsanwaltschaft Neuruppin Ermittlungen eingeleitet hat, werden Verbandschef A. und sein Geschäftspartner verhaftet. Am 10. Juli 2015 wird das Urteil am Landgericht Cottbus gefällt: Der Ex-Verbandsvorsteher wird wegen schwerer Bestechlichkeit zu drei Jahren Haft verurteilt. Die zwei Geschäftsführer der Baufirmen erhalten Bewährungsstrafen von einem Jahr und sieben Monaten sowie einem Jahr und vier Monaten. Die Urteile sind nicht rechtskräftig, denn die Verurteilten legen Revision ein.

Frank Winter leitet seit 2002 die Schwerpunktstaatsanwaltschaft „Korruption“ in Neuruppin. „Korruptionsverfahren ziehen sich oft über Jahre“, sagt der Oberstaatsanwalt. Die Ermittlungen sind aufwendig. Akten und riesige Datenmengen müssen ausgewertet werden. „Wir haben nicht das blutige Messer“, sagt Winter, „und der Schaden ist nicht sofort sichtbar.“

Fall 2: Der Technikchef vertritt auch eigene Interessen

Er gilt als der Brandschutzexperte mit Durchblick am BER: Jochen Großmann. Der damalige Flughafenchef Hartmut Mehdorn holt den promovierten Maschinenbauingenieur mit seiner Firma Gicon im April 2013. Der TÜV Rheinland hat ihn empfohlen. Der Mann mit dem grauen Wuschelhaar, dem Schnauzer und dem sächsischen Dialekt beeindruckt durch seine Fachkenntnis. Nach nur wenigen Monaten steigt er zum Technikchef am BER auf. Im April 2014 wird er zum Angestellten der FBB. Nebenbei behält er seine Beraterfirma Gicon in Dresden. Mit ihr hatte der Flughafen noch 2013 mehrere Verträge abgeschlossen. Einen Interessenkonflikt durch die Doppelfunktion sieht die FBB-Geschäftsführung jedoch nicht. Großmanns Job am BER ist es, die komplizierte Brandschutzanlage in Betrieb zu bekommen, an der die für Juni 2012 geplante Eröffnung des Flughafens scheiterte.

Technikchef Großmann wollte für seine Firma Gicon in Dresden eine halbe Million Euro kassieren

Der Ingenieur genießt das Vertrauen der Geschäftsleitung. Hartmut Mehdorn schwört auf ihn. Bis zu dem Tag im Mai 2014, an dem in Berlin ein Anruf des niederländischen Planungskonzerns Arcadis aus Amsterdam eingeht. Das Unternehmen kümmert sich am BER um die Umplanung der Brandschutzanlage. Die Compliance-Abteilung war bei der Überprüfung eines Dienstleistungsvertrags misstrauisch geworden. Sie ist eine zumeist mit Anwälten besetzte Prüfstelle in der Firma, die auf die Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien achtet.

Ein Arcadis-Mitarbeiter offenbart seinem Arbeitgeber reumütig, er habe einer Schmiergeldvereinbarung mit Großmann zugestimmt. Der Mann berichtet Folgendes: Ende November 2013 habe der BER-Technikchef das Planungsbüro aufgefordert, das damalige Auftragsangebot von 1,3 auf 1,8 Millionen Euro zu erhöhen. Im Gegenzug werde er dafür sorgen, dass Arcadis den Auftrag erhält. Geplant ist, dass die halbe Million Euro überwiegend Großmann und seiner Firma Gicon zugutekommt.
Der Deal sieht vor: Arcadis bekommt die zusätzliche Summe von der FBB und investiert dafür unter anderem in eine – gar nicht benötigte – Software von Gicon. Die Zeche sollte der Flughafen bezahlen.

Im Mai 2014 übergeben Verantwortliche der FBB und von Arcadis ihre Erkenntnisse den Staatsanwälten. Anfang Juni entlässt Flughafenchef Mehdorn seinen Hoffnungsträger Großmann fristlos. „Ich habe diesem Mann getraut“, sagt Mehdorn. „Ich habe eigentlich bis zur letzten Sekunde, als der Staatsanwalt ihn verhört hat, geglaubt, dass der irgendwann mal anfängt und sagt: ,Nein, das stimmt alles nicht, ich war es nicht, ich hab’s nicht gemacht.‘ Da ist nichts gekommen.“ Wegen Bestechlichkeit und Betrugs wird Jochen Großmann im Oktober 2014 zu einem Jahr Haft auf Bewährung und zur Zahlung von 200.000 Euro rechtskräftig verurteilt. Obwohl es nicht mehr dazu kam, dass das Schmiergeld gezahlt wurde.

Oberstaatsanwalt Frank Winter sagt: „Damit der Tatbestand der Korruption erfüllt ist, reicht bereits das Fordern oder Anbieten eines Vorteils.“

Fall 3: Bereichsleiter des BER kassiert Imtech-Provision

Eine der wichtigsten Firmen auf der Großbaustelle ist Imtech. Der niederländische Gebäudeausstatter erledigt für die Flughafengesellschaft Elektroarbeiten und ist an maßgeblicher Stelle für die Brandschutzanlage zuständig. Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass der Branchenriese seit Jahren finanzielle Probleme hat. 2012 macht Imtech Druck, will Vorauszahlungen. Da kommt offenbar in der Flughafengesellschaft ein leitender Angestellter auf eine lukrative Idee. Sie wird ihn Jahre später mit drei ehemaligen Imtech-Managern vor Gericht bringen. Die Staatsanwaltschaft Neuruppin erhebt im Oktober 2015 Anklage. Das Hauptverfahren ist noch nicht eröffnet.

Der Vorwurf: Ein Bereichsleiter am Flughafen mit Prokura habe sich einen Kontakt zum damaligen Deutschland-Imtech-Chef vermitteln lassen. Es kommt nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft zu mehreren Treffen. Der Bauingenieur bietet dem Imtech-Manager laut Ermittler an, sich dafür einzusetzen, dass die Flughafengesellschaft noch 2012 rund 60 Millionen Euro an Imtech und eine Arbeitsgemeinschaft am BER bezahlt. Kurz vor Weihnachten 2012 übergibt an einer Autobahnraststätte an der A24 ein anderer Imtech-Verantwortlicher das Schmiergeld in einem Umschlag an den Bereichsleiter. So die bisherigen Erkenntnisse. Die Ermittler werden später bei dem BER-Mann zu Hause einen sechsstelligen Bargeldbetrag finden.

Imtech gilt als wichtigste Baufirma am BER. Im August 2015 stellte der Konzern einen Insolvenzantrag
Die Rechnung schien zunächst aufzugehen: Die FBB überweist tatsächlich in den letzten Dezembertagen rund 60 Millionen Euro an Imtech und Imca, die damalige Arbeitsgemeinschaft. Zuvor segnet der BER-Aufsichtsrat Anfang Dezember eine Vorabzahlung ab. „Wir befürchteten, dass Imtech sonst seine Leute abzieht“, rechtfertigt sich ein Aufsichtsratsmitglied. Im August 2015 werden Imtech Deutschland und der Mutterkonzern tatsächlich einen Insolvenzantrag stellen. Mittlerweile hat die Bremer Zech-Gruppe große Teile übernommen. Imtech Deutschland mit 2300 Mitarbeitern firmiert nun unter ROM Technik.

Es war die deutsche Imtech-Niederlassung, die den Flughafen Anfang Dezember 2014 über den Bestechungsverdacht informierte. Der wiederum schaltet Mitte Dezember die Staatsanwaltschaft Neuruppin ein. Allerdings war schon im Juni 2013 bei der FBB ein anonymes Schreiben eingegangen. Mit dem Hinweis, der Bereichsleiter werde von Imtech-Mitarbeitern in Millionenhöhe geschmiert. Die FBB ermittelt damals intern ohne Ergebnis. Der BER-Bereichsleiter kommt in U-Haft, im September 2015 wird er gegen Kaution freigelassen. Auch die ehemaligen Imtech-Manager sind auf freiem Fuß.
Oberstaatsanwalt Frank Winter sagt: „Bei Großprojekten geht es um viel Geld. Die Kontrolle ist schwierig. Dazu kommt, dass man längere Zeit zusammenarbeitet. Man kennt sich. Die klassische strukturelle Korruption ist Vertrauenssache. Daraus erwächst eine besondere Anfälligkeit.“

Fall 4: Rechnungen von Siemens, die zu hoch erscheinen
Im August 2015 schaltet die Flughafengesellschaft mit dem Siemens-Konzern die Staatsanwaltschaft Cottbus ein – wegen des Verdachts des möglichen Abrechnungsbetrugs. Es geht um rund 1,8 Millionen Euro. FBB-Compliance-Chefin Elke Schaefer und ein Anwalt von Siemens übergeben der Ermittlungsbehörde auf einem USB-Stick 1500-seitige Unterlagen.

Siemens-Mitarbeiter stehen unter Verdacht, Leistungen in Rechnung gestellt zu haben, die nicht erbracht wurden

Der Verdacht lautet: Siemens-Mitarbeiter hätten 2013 und 2014 teilweise überhöhte Rechnungen gestellt und Leistungen abgerechnet, die nicht erbracht worden sind. Warum Beschäftigte der FBB sie offenbar derart großzügig bewilligten, ist Teil der laufenden Ermittlungen. Aufgefallen sind die Ungereimtheiten bei der Überprüfung der Rechnungen durch die Fachabteilung der Flughafengesellschaft. Siemens hat bei sich nachgeforscht – und kam auch zu dem Schluss, dass da etwas nicht stimmt. „Derzeit haben wir keine Anhaltspunkte für einen Korruptionsverdacht“, sagt ein Siemens-Sprecher. Offenbar wurden Scheinrechnungen ausgestellt, um Baufortschritte vorzutäuschen.

Quelle: http://www.morgenpost.de/flughafen-berlin-brandenburg/article206701251/Der-unendliche-Flughafenbau-die-Strafakte-BER.html

 

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*