Zuständigkeits-Wirrwarr um Nachtflugverbot am BER

BER-Aufsichtsrat lehnt Finanzspritze von 1,1 Milliarden ab

„Nicht nachvollziehbare“ Finanzen, eine „frustrierende“ Baustelle: Der Aufsichtsrat rügt BER-Chef Hartmut Mehdorn. Seiner Forderung nach mehr Geld wurde am Freitagabend nicht stattgegeben.

Im Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft wächst wegen der drohenden Verzögerung der Inbetriebnahme über 2016 hinaus und neuer Kosten die Ungeduld mit BER-Geschäftsführer Hartmut Mehdorn. Die Mitglieder des Aufsichtsrats hatten sich wegen eines umfangreichen Fragenkatalogs an Mehdorn auf eine Marathonsitzung eingestellt. Sie dauerte bis in die Nacht.

Mehdorn forderte von den drei Gesellschaftern Berlin, Brandenburg und dem Bund eine neue Finanzspritze von 1,1 Milliarden Euro. Damit ist er zunächst abgeblitzt. Mit dem Geld sollen der Schallschutz und unter anderem der Umbau der Brandschutzanlage finanziert werden. In zwei Wochen soll der Finanzausschuss in einer Sondersitzung darüber beraten.

Da der Finanzrahmen nach Tagesspiegel-Recherchen und entgegen Mehdorns Angaben bereits bei 4,6 Milliarden Euro liegt, würde der Flughafen nach den neuesten Plänen 5,7 Milliarden Euro kosten.

Mit seinem Antrag für ein komplettes Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr ist Brandenburg zudem gescheitert. Der Aufsichtsrat lehnte es mehrheitlich und gegen die Stimmen Brandenburgs ab, sich mit dem Antrag zu befassen. Das Gremium verwies das Thema wegen „Unzuständigkeit“ zurück an die Gesellschafterversammlung. Ein ausführliches Statement lehnte der Aufsichtsrat am Abend ab.

Am Morgen protestierten Anwohner gegen die Nachtflugregelung Bereits am Morgen hatten sich rund 20 Flughafenanwohner vor dem Verwaltungsbau nahe dem Terminal des neuen Hauptstadtflughafens BER in Schönefeld gescharrt. Sie protestierten gegen die bestehende Nachflugregelung, die Flüge nur von 0 bis 5 Uhr ausschließt.

Denn auch der Antrag der brandenburgischen Landesregierung, das Nachtflugverbot auf 22 bis 6 Uhr auszuweiten oder zumindest hilfsweise bei anhaltendem Widerstand aus Berlin und dem Bund die verordnete Nachtruhe von 5 bis 6 Uhr zu verlängern, sollte vom Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft besprochen werden. Um 21.15 Uhr dann trat Brandenburgs Flughafenstaatssekretär Rainer Bretschneider vor die Presse und verkündete, dass das 15-köpfige Gremium es mehrheitlich und gegen die vier Stimmen Brandenburgs abgelehnt habe, sich mit dem Antrag zu befassen. Das Thema wurde wegen „Unzuständigkeit“ zurück in die Gesellschafterversammlung verwiesen, die erst vergangenen Montag beschlossen hatte, das Votum des Aufsichtsrats einzuholen. Bretschneider nannte das Vorgehen des Aufsichtsrats „befremdlich“. Das Thema sei so wichtig, dass sich das Gremium damit hätte beschäftigen müsse. Zu deren anderen Themen der Sitzung hielt sich Bretschneider bedeckt.

Noch am Morgen hatte Brandenburgs Finanzminister Christian Görke (Linke), kurz zu den 1,1 Milliarden Euro, die BER-Chef Hartmut Mehdorn als zusätzlichen Finanzbedarf anmeldete, um den Irgendwann-einmal-Flughafen nun doch endlich fertigstellen und eröffnen zu können, gesagt: Es liege ihm bislang ein Sammelsurium von Zahlen vor, die er „nicht nachvollziehen“ könne. Die Geschäftsführung müsse nun für Klarheit sorgen. Zwölf Stunden später dann war auch von Bretschneider nicht mehr viel zu hören, nur zwei Sätze: „Wir haben umfänglich über das Kostenthema gesprochen. Wir haben das Ergebnis erzielt, dass wir darüber weiter diskutieren.“ Wenig später ließ der Aufsichtsrat nur noch mitteilen, dass es entgegen üblichen Gepflogenheiten keinerlei Statement mehr gebe.

Dem Vernehmen nach ist die Sitzung von der Diskussion über Mehdorns Führungsstil und immer neue Hiobsbotschaften zu Eröffnungstermin und Kosten überschattet worden. Das Gremium ist zunehmend genervt, weil es schwer zu vermitteln ist, dass erneut Steuergeld in das Projekt fließen soll. Bereits im Dezember wurden 1,2 Milliarden zusätzlich bewilligt. Der offizielle Kostenrahmen liegt bei 4,3 Milliarden, tatsächlich aber derzeit bei 4,6 Milliarden Euro.

Wenn Siemens nicht voran kommt, ist die Eröffnung im Herbst 2016 akut gefährdet Dass der Aufsichtsrat Redebedarf hat, zeigte sich schon am späten Nachmittag. Da drang nach außen, dass es dauern werde. Man stelle sich auf eine Marathonsitzung bis mindestens um 22 Uhr ein. Es dauerte dann noch länger. Die Stimmung war schon im Vorfeld angespannt: Denn BER-Flughafenchef Hartmut Mehdorn ärgert sich über den Aufsichtsrat und fühlt sich bevormundet. Und der BER-Aufsichtsrat ist alles andere als zufrieden mit dem Fortgang der Arbeiten auf der Baustelle. Ein Aufsichtsratsmitglied sagte am Freitag, er sei „mächtig frustriert“. Frustriert über das Verhalten von Mehdorn, der „den Flughafen schleunigst weiterbauen“ müsse, frustriert über das, was die Siemens-Vertreter erläutert haben.

Das Unternehmen hat den Umbau der Steuerung für die Frischluftzufuhr bei einem Brand übernommen. Doch Siemens hat nach eigenen Aussagen dafür noch nicht einmal alle beziehungsweise nur mangelhafte Unterlagen. „Was das bedeuten kann, müssen wir uns klarmachen“, hieß es aus Regierungskreisen. Im schlimmsten Fall, so rechnen es Aufsichtsratsmitglieder vor, wäre die Eröffnung im Herbst 2016 akut gefährdet. Die Baugenehmigung für das Terminal läuft dann aus und müsste neu beantragt werden – zu neuen, verschärften Regeln.

Quelle: www.tagesspiegel.de Von Sabine Beikler, Christian Tretbar und Alexander Fröhlich

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