Berlins Flughafenkoordinator Engelbert Lütke Daldrup und BER-Chef Karsten Mühlenfeld über Terminspekulation, Finanzen…

Berlins Flughafenkoordinator Engelbert Lütke Daldrup über Terminspekulation, Fragen der Ehre – und Billigflieger-Gefühle in Schönefeld.

Optimistisch. Berlins BER-Koodinator Engelbert Lütke Daldrup geht davon aus, dass sich die Region im Herbst 2017 über den neuen Flughafen freuen kann.

Die neueste Flughafenwerbung ist ja wagemutig: „Jahrelang hat der BER uns genervt: Jetzt machen wir ihn fertig“. Wirklich?

Ja, so ist es. 2016 wird ein gewisser Wendepunkt für den BER. Da bin ich optimistisch. Es wird das Jahr sein, in dem der Bau endlich fertig und die technische Inbetriebnahme, das Hochfahren aller Systeme in vollem Gange sein werden.

Sie sind ja ein Optimist!

Das ist realistisch. Wir sind jetzt tatsächlich auf diesem Weg, haben das Ziel klar vor Augen. Dass der BER mit seinen Verzügen ein absolutes Ärgernis ist, wissen doch alle. Aber ich glaube, dass auch die allgemeine Stimmung inzwischen so ist: Man muss das Ding jetzt endlich fertig bringen. Ich bin zuversichtlich, dass im Sommer 2016 die bauliche Fertigstellung des Terminals möglich ist, und wir uns dann im Herbst 2017 über den neuen Flughafen Berlins freuen können.

Wie knapp ist dieser Eröffnungstermin?
Da hat sich nichts geändert. Gegenüber der alten Terminplanung aus dem Jahr 2014 sind wir drei bis vier Monate im Verzug. Deshalb hat die Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg einen neuen Terminplan aufgestellt, der nun die bauliche Fertigstellung für das Jahr 2016 und die Inbetriebnahme für den Herbst 2017 vorsieht. Die nötigen Planungen sind auch fast komplett fertig. Die abschließenden Antragsunterlagen sollen im Januar/Februar bei der Bauaufsicht eingereicht werden.

Für Dienstag haben der Regierende Michael Müller und Flughafenchef Karsten Mühlenfeld die wichtigsten am BER beteiligten Firmen ins Rote Rathaus eingeladen. Was versprechen Sie sich von dem Treffen?
Der Zeitplan setzt natürlich voraus, dass die Baufirmen jetzt auch mitziehen. Wir erwarten von den Firmen wie auch von der gesamten Mannschaft der Flughafengesellschaft dass sie konzentriert am gemeinsamen Ziel arbeiten, im Sommer 2016 die Bauarbeiten fertig zu stellen. Genau das wird der Regierende Bürgermeister, aber auch der Geschäftsführer der Flughafengesellschaft, mit den Firmen besprechen.

Die Unternehmen machen am BER nicht genügend Power, haben sich eher auf der lukrativen Dauerbaustelle eingerichtet?
Ich formuliere es einmal so: Ein Projekt in einer so schwierigen Situation ist nur dann zeitgerecht fertigzustellen, wenn sich alle anstrengen. Der Flughafen hat das in letzter Zeit getan. Er hat seine Prozesse im Baubereich in Ordnung gebracht, eine belastbare Terminplanung aufgestellt. Jetzt sollen auch diejenigen in die Pflicht genommen werden, die das umsetzen müssen.
Und da dürfen die Firmen sich nicht hinter irgendwelchen Konflikten um Nachträge oder ähnliches verstecken. Sie müssen begreifen, dass der BER eine gemeinsame Aufgabe ist. Es liegt im Interesse des Standorts Deutschland, aber auch des Rufs dieser namhaften Unternehmen selbst, den Flughafen nun fertig zu stellen. Es sollte für die Firmen auch eine Frage der Ehre sein, das, was in den letzten Jahren nicht fertig bekommen wurde, zu Ende zu bringen, damit der Schaden nicht noch größer wird.

Die letzten Baugenehmigungen werden erst für April 2016 erwartet. Und bis Sommer sollen alle Bauarbeiten erledigt sein?
Die entscheidende Hürde liegt vorher. Das Wichtigste ist, dass die Bauanträge komplett und durch unabhängige Büros geprüft, zu den angegebenen Zeitpunkten im Januar/Februar abgeschlossen und eingereicht werden, damit die Bauaufsichtsbehörde dann zügig arbeiten kann. Wenn diese Termine gehalten werden, ist der Sommer 2016 realistisch.

Sie legen Ihre Hand dafür ins Feuer, dass der neue Flughafen 2017 in Betrieb geht?
Wenn im Frühjahr wie geplant die Baugenehmigungen da sind – das ist ein entscheidender Punkt –, dann können wir 2017 schaffen.

Aber es gibt kaum einen Puffer, dafür regelmäßig Hinweise auf eine drohende Verschiebung ins Frühjahr 2018.
Ich rate allen ab, jetzt über Termine zu spekulieren. Man sollte alle Kraft darauf konzentrieren, fertig zu bauen. Das ist mein Appell an alle am Projekt Beteiligten, an Planung, Objektüberwachung, Baufirmen. Ich sage es mal ganz direkt: Nicht so viel spekulieren! Nicht so viel quatschen, sondern in die Hände spucken und das Ding fertig bauen!

Woher rührt Ihre Zuversicht, dass nicht doch BER-Hiobsbotschaften dem Regierenden Müller den Wahlkampf vermasseln?
Wir wissen heute so viel über das Gebäude wie nie zuvor. Das BER-Terminal ist ja fast forensisch untersucht worden. Damit sind auch die Risiken geringer geworden. Es gibt wenige Gebäude in Deutschland, die so genau dokumentiert sind. Man kann dort unterwegs sein, und quasi für jeden Raum auf dem Tabletcomputer den aktuellen Planungsstand abrufen.
Sicher, man kann immer noch was finden. Hundertprozentig ausschließen kann das kein Mensch. Das wäre auch nicht seriös. Aber vieles ist gefunden und inzwischen abgearbeitet worden.

Berlins neuer Flughafen ist zu klein. Die Passagierzahlen steigen und steigen, 2015 wurde mit fast 30 Millionen wieder ein Rekord erreicht. Droht nach dem Baufiasko nun Chaos im laufenden Betrieb?
Wenn wir 2017 den BER mit 22 Millionen Passagieren starten, werden wir dort eine ganz andere Servicequalität als heute an den alten Berliner Flughäfen anbieten können.

Ohne das alte Schönefelder Terminal werden die dann erwarteten 33 Millionen Passagiere nicht abgefertigt werden können.
Daher werden wir den Bereich Schönefeld-Alt zunächst weiter für den Low- Cost-Verkehr nutzen.

Dort wird man auch ein bisschen spüren, dass man günstig fliegt. Außerdem werden wir ein neues Low-Cost-Terminal neben dem Nordpier bauen.
Selbst das alles wird nicht lange reichen!
Man wird nach der Eröffnung des BER bald entscheiden müssen, wie man dauerhaft die Kapazität erweitert. Ich denke, diese Entscheidung wird zu fällen sein, wenn der BER ein, zwei Jahre in Betrieb war und der Flughafen auch finanziell auf eigenen Beinen steht.

Aus Sachsen und von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) wird regelmäßig der Leipziger Airport ins Spiel gebracht. Was spricht denn dagegen?
Da ich zehn Jahre Baubürgermeister in Leipzig war, kenne ich den Flughafen ziemlich gut. Er hat eine Kapazität von fünf Millionen Fluggästen pro Jahr, zurzeit fliegen dort knapp 2,5 Millionen. Hier sind es 30 Millionen. Der Leipziger Flughafen kann die Berliner Kapazitätsprobleme nicht lösen. Insofern könnte er, wenn überhaupt, kleine ergänzende Funktionen übernehmen. Die Leute wollen im Übrigen nach Berlin fliegen, und sie wollen auch von Berlin aus wegfliegen.

Reichen zwei Landebahnen am BER aus?
Der Großflughafen London-Heathrow bewältigt auf zwei Bahnen jährlich 68 Millionen Passagiere. [Red] (Frage wurde nicht beantwortet!)

Mit der neuen Finanzspritze steigen die BER-Kosten auf 6,5 Milliarden Euro. Drohen danach weitere Finanzrisiken?
Wenn Brüssel die beihilferechtlichen Fragen positiv behandelt, und die Signale sind gut, dann ist die Finanzierung des Flughafens für die nächsten Jahre gesichert. Von den 2,2 Milliarden Euro leihen die Gesellschafter 1,1 Milliarden Euro als Darlehen, 1,1 Milliarden Euro werden auf dem Kapitalmarkt als verbürgte Kredite aufgenommen werden.

Dann muss die öffentliche Hand keine weiteren Hilfen bewilligen?
Das ist die Grundlage aller Finanzierungspläne, die die Flughafengesellschaft vorgelegt hat. Und das ist die Grundlage für das Notifizierungsverfahren in Brüssel. Die finanzielle Unabhängigkeit und Eigenständigkeit des Unternehmens soll etwa 2020 erreicht sein.

Da die Flughafengesellschaft demnächst mehr als 2000 Mitarbeiter hat, muss der Aufsichtsrat vergrößert werden. Bei der Gelegenheit könnte man doch gleich Spitzenpolitiker abziehen, wie es Brandenburgs Rechnungshof fordert.
Für Berlin ist der Berliner Rechnungshof zuständig. Und der vertritt eine andere Position. Auch wir sind dezidiert der Auffassung, dass politische Verantwortungsträger dem Aufsichtsrat angehören sollten. Mit der paritätischen Mitbestimmung betreten wir zudem kein Neuland. Die gab es schon einmal bis 2008. Insofern wird der Aufsichtsrat um Arbeitnehmervertreter ergänzt werden müssen. Es wird einen Arbeitsdirektor geben.

Welche BER-Schlagzeile wünschen Sie sich 2016?
Der BER ist fertig gebaut.

Quelle: http://www.tagesspiegel.de/berlin/luetke-daldrup-im-interview-nicht-so-viel-quatschen-ueber-den-ber-das-ding-fertig-bauen/12812932.html

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Der neue Hauptstadtflughafen eröffnet mit sechs Jahren Verspätung – aber nur, wenn jetzt alles gut geht. Airportchef Mühlenfeld packt deshalb die Baufirmen bei der Ehre, darunter angesehene Weltkonzerne.
Schönefeld – Die Baugenehmigung noch nicht durch und sein Aufsichtsratschef im Wahlkampf: Für Airportchef Karsten Mühlenfeld wird 2016 ein entscheidendes Jahr auf der Baustelle für den neuen Hauptstadtflughafen. Im Interview nimmt er auch die Baufirmen in die Pflicht: Imtech, Siemens, Caverion, Bosch, T-Systems.

Vier Eröffnungstermine für den neuen Flughafen sind seit 2011 geplatzt, auch der nächste 2017 ist alles andere als sicher. Das Bauende ist vom Frühjahr 2016 in den Sommer verschoben. Wo stehen Sie jetzt?
Um den Bau bis Mitte des Jahres 2016 fertigstellen zu können, mussten wir den 5. und 6. Nachtrag zur Baugenehmigung im vergangenen Jahr einreichen und diese werden zurzeit plangeprüft und danach hoffentlich vom Bauordnungsamt genehmigt. Kern dieser Nachträge ist die Korrektur der Entrauchungsanlage, die aufgrund ihrer Komplexität einer anspruchsvollen Steuerung bedarf. Diese wird von der Firma Siemens gebaut.
Nach positivem Abschluss der Planprüfung gehen wir davon aus, dass die Entrauchung den Anforderungen entspricht und funktionieren wird. Aber „proof of the pudding“ werden natürlich erst die Heißgasrauchversuche sein, wenn die Entrauchung im Realfall getestet wird.

Die Entscheidung des Bauordnungsamts darüber wird für die Zeit um Ostern erwartet. Was passiert, wenn die Behörde den Daumen senkt?
Im Gegensatz zu der geplanten Eröffnung im Jahr 2012 ist das Bauordnungsamt jetzt gut informiert und hat regelmäßigen Zugang zur Baustelle. Außerdem pflegen wir einen offenen Dialog mit allen Ämtern und dem zuständigen Ministerium. Das ist mir sehr wichtig. Wenn es große Konfliktthemen gäbe, hätte uns eine der Institutionen sicherlich schon darauf hingewiesen.

In der Branche hört man zwei mögliche Eröffnungstermine: den Oktober 2017 und den März 2018.
Wir haben drei Monate unseres Puffers verbraucht, der ursprünglich sechs Monate betrug. Wir haben also noch drei Monate gut. Die meisten Leute meinen, dass wir spätestens zum Winterflugplan eröffnen müssten, sonst würde es erst wieder zum Sommerflugplan möglich sein. Für diese Annahme gibt es aber keinen sachlichen Grund, außer wir haben eine Periode mit der Notwendigkeit der Enteisung der Flugzeuge. Dies ist ein logistisch sehr anspruchsvolles Unterfangen und deshalb nicht geeignet für eine potenzielle Eröffnung, aber in Berlin tritt dies eher zum Jahreswechsel auf. Noch mal: Unser Ziel ist die Inbetriebnahme in der zweiten Jahreshälfte 2017.

Wenn das Amt doch noch Einwände hat, die Sie zwingen, das Ziel 2017 aufzugeben, hätten Sie Ihrem Aufsichtsratschef, Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller (SPD), den Wahlkampf zum Abgeordnetenhaus im September verdorben.
Wahlkämpfe sind eine hitzige Zeit. Ich glaube aber nicht, dass der Wahlkampf sich um Entrauchung drehen wird. Wir hoffen nach der Baugenehmigung durch das Bauordnungsamt um Ostern unser genaues Restbausoll zu kennen und damit faktenbasiert einen sauberen Terminplan für die Baufertigstellung zu liefern. Wenn dieses Restbausoll unseren heutigen Erwartungen entspricht, dann können wir den Terminplan halten

Ihre Vorgänger haben beklagt, dass sie nicht frei von politischem Druck arbeiten können. Wie ist es bei Ihnen?
Ich finde diese Aussage immer ein bisschen unfair. Was ist frei arbeiten? Glauben Sie, dass man in großen Unternehmen ohne Druck ein Projekt abarbeiten kann? Das ist dann zwar kein politischer Druck, aber Kosten und Zeitpläne müssen dort auch eingehalten werden. Der Unterschied ist eher, dass Verzögerungen und Kosten nicht so in der Öffentlichkeit diskutiert werden. Ich finde Druck nicht unbedingt so schlimm. Natürlich spürt man, dass in Berlin Wahlkampf ist, aber das beeinflusst nicht unsere Entscheidungen. Es fordert von uns allerdings sehr klare und eindeutige Kommunikation. Ich denke, wir sind deutlich transparenter hinsichtlich des Baustatus geworden und haben unsere Kommunikation verbessert und das werden wir auch weiter tun.

Ein Teil des Drucks soll nun bei einer Konferenz im Roten Rathaus auf die Baufirmen weitergegeben werden.
Was wir wollen ist, dass wir mit den Firmen ein gemeinsames Team bilden, welches an einen Strang zieht, um den BER fertig zu bekommen – nach dem Prinzip „Einer für alle und alle für einen“.

Ist das vier Jahre nach dem ersten abgesagten Eröffnungstermin tatsächlich noch nötig?
Ich glaube, es ist schon allen klar. Aber sie müssen auch sehen, dass in der Presse primär die Verantwortung dem Flughafen zugeschrieben wird. Ich hab noch nichts gelesen über die großen Baufirmen, die wir da haben: Imtech, Siemens, Caverion, Bosch, T-Systems. Wir wollen nach außen klarer darstellen, dass die Verantwortung auch bei den Firmen liegt, nicht alleine beim Flughafen. Es geht hier in gewissem Maße auch um die Reputation Deutschlands.

Das müsste international aktiven Baufirmen doch klar sein.
Jeder weiß, was er zu tun hat und was von ihm erwartet wird. Und dieses Bewusstsein zu Jahresbeginn aufzufrischen, kann sicher nicht schaden.

ZUR PERSON:
Karsten Mühlenfed ist der dritte Flughafenchef, der sich seit Baubeginn um die Eröffnung des drittgrößten deutschen Airports müht. Im März 2015 kam der 52 Jahre alte Ingenieur als Nachfolger für Hartmut Mehdorn nach Schönefeld, nach langen Jahren bei Rolls Royce. Für den Triebwerkshersteller leitete er zuletzt das Werk im nahen Dahlewitz. Der Berliner lebt nur wenige hundert Meter von seinem Elternhaus im Stadtteil Mariendorf entfernt. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Quelle: http://www.nwzonline.de/wirtschaft/es-geht-um-die-reputation-deutschlands_a_6,0,2701875627.html
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