BER: Der Landtagsabgeordnete der Grünen Benjamin Raschke wurde vom Flughafen angezählt + + Raschke setzt sich weiter für Betroffene ein

Offener Brief: Sehr geehrter Herr Wagner,

vielen Dank für Ihr Schreiben. Sie bedauern darin meine öffentlich vorgetragene heftige Kritik am Schallschutzprogramm des Flughafens (konkret im Tagesspiegel vom 24. Oktober) und dass ich mich bei Ihnen nicht vorab informierte. Dazu nehme ich gern öffentlich Stellung:

Ich freue mich, dass Sie meine Twitter-Aktion #1NachtAmBER verfolgt haben. Es ist richtig, dass wir persönlich noch nicht das Vergnügen hatten – ich danke für die Einladung dies nachzuholen. Sie können jedoch unbesorgt sein: Was Fragen des Schallschutzes für die Anwohnerinnen und Anwohner des Flughafens BER angeht nutzen wir im Landtag natürlich viele Möglichkeiten, um auf dem Laufenden zu bleiben. Von Seiten der Flughafengesellschaft wird unsere Fraktion durch Sie selbst im Sonderausschuss BER über Fakten und Fortschritte aus Sicht der Flughafengesellschaft informiert. Auch die in Ihrem Schreiben genannten Texte wie der „Leitfaden Schallschutz“ oder den Monatsbericht des Flughafens sind uns daher bekannt.

Insgesamt ergibt sich aus den vorliegenden Fakten für uns ein düsteres Bild der Lärmschutz-Politik: Wir stellen fest, dass gerade die Anwohnerinnen und Anwohner, die die Hauptlast des Flugbetriebs zu tragen haben, an vielen Stellen in ungebührlicher Art und Weise um ihr Recht auf den vorgeschriebenen Schallschutz kämpfen müssen.

Das dies genau so gewollt ist, hat der ehemalige Chefjurist des Flughafens Gottfried Egger im Berliner BER-Untersuchungsausschuss gerade eben erst wieder bestätigt: 2008 hatten sich die Flughafengesellschaft und das zuständige brandenburgische Infrastrukturministerium darauf verständigt, dass das Schutzniveau „nur einen Bruchteil dessen betragen soll, was im Planfeststellungsbeschluss vorgegeben war.“ Die Betroffenen mussten vor Gericht erstreiten, dass die Flughafengesellschaft den Schallschutz entsprechend dem im Planfeststellungsbeschluss vereinbarten Schutzziel von tagsüber 0 Überschreitungen der 55 dB im Innenraum dimensioniert. Aber auch nach diesem Erfolg sind keineswegs alle Schwierigkeiten beseitigt. Während laut Planfeststellungsbeschluss eine Entschädigung anstelle baulichen Schallschutzes die absolute Ausnahme für Gebäude mit besonders schlechter Bausubstanz sein sollte, stellen wir nun fest, dass im Tagschutzgebiet nach aktuellem Stand 38% der Wohneinheiten nicht angemessen geschützt werden können.

Die Zusicherung, die Bevölkerung angemessen vor den Auswirkungen des Flugbetriebs schützen zu können war jedoch die Voraussetzung für die Genehmigung des Projekts am Standort Schönefeld. Ich erinnere an eine denkwürdige Passage im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.03.2006 (BVerwG 4 A 1075.04), Randnummern 154 und 155: „Der zahlen- und flächenmäßige Umfang der privaten Lärmbetroffenheiten kann bei einem ballungsraumnahen Standort […] so bedeutsam sein, dass Lärmschutzbelange die raumordnerischen Gründe, die für einen stadtnahen Standort sprechen, in Frage stellen. In einem solchen Fall muss sich der Träger der Landesplanung mit der Frage auseinandersetzen, ob die Umsetzung der Standortentscheidung […] den Vorhabenträger mit unverhältnismäßigen Kosten belasten würde. […] Die Landesplanung muss jedoch bereits auf ihrer Planungsebene vorausschauend prüfen, ob die Lärmschutzprobleme, die ihre Standortentscheidung auslösen wird, auf der Fachplanungsebene in diesem Sinne beherrschbar sein werden. Ist das nicht der Fall, obliegt es der Landesplanung, einen anderen Standort zu suchen.“

Neben dieser sehr grundsätzlichen Schieflage möchte ich einige von vielen weiteren Punkten benennen, an denen in unseren Augen zu Unrecht zum Nachteil der Betroffenen gehandelt wird: Baurechtlich genehmigte Wohnräume und Küchen werden wegen angeblich zu geringer Deckenhöhe und Raumgröße nicht als schützenswert anerkannt. Als Wohnraum ausgebaute und genutzte Wintergärten sollen nicht geschützt werden. Der Baustadtrat von Treptow-Köpenick äußerte kürzlich gegenüber dem Tagesspiegel sein Unverständnis über dieses Vorgehen – es sei schließlich immer noch ausschließlich Sache der Baubehörde festzulegen, was baurechtlich eine Wohnung sei und was nicht. Gemischt genutzte Wohn-Schlafräume werden wiederholt nicht als solche anerkannt mit der Folge, dass für diese nur das schlechtere Schutzziel für die Nacht vorgesehen wird.

Im gesamten Tagschutzgebiet mit 14.000 Anspruchsberechtigten ist der bauliche Schallschutz heute, 3 Jahre nach der geplanten Eröffnung des BER, nur in 110 Wohneinheiten umgesetzt und abgeschlossen worden. Dies zeugt in unseren Augen von einem Versagen bei der Umsetzung des Schallschutzprogramms durch die Flughafengesellschaft und das zuständige brandenburgische Infrastrukturministerium.

Quelle: 20151130_Anwortschreiben_an_FBB_GmbH

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