50 Millionen Euro pro Monat für den BER

Und in den Klassenzimmern sollen Kinder mit Winterjacke lernen.

Die Berliner Morgenpost berichtete am 15.09.2013

Mit Winterjacke im Klassenzimmer

Kaputte Fenster, undichte Decken, defekte Toiletten: Marode Schulen brauchen eine Milliarde Euro

 

Dem ersten Kälteeinbruch sieht Nicole Bartsch-Neumann mit Bangen entgegen. Sie wird ihre Kinder dann wieder warm einpacken müssen, bevor sie sie auf ihren morgendlichen Weg zum Fichtenberg-Gymnasium in Steglitz schickt: „Wenn man einen Fensterplatz hat, dann muss man schon zwei Schals und eventuell auch Handschuhe anziehen“, sagt die Mutter. Seit fünf Jahren ist sie in der Gesamtelternvertretung aktiv. Immer wieder hatten Eltern und Schulleitung darauf gedrungen, dass dringende Sanierungsarbeiten an der vor mehr als 100 Jahren gegründeten Schule durchgeführt werden. Umweltschule war „die Fichte“ 2008 geworden, dabei „haben wir Fenster, da kann man fast durchgreifen“, sagt Nicole Bartsch-Neumann. Doch einen Zeitpunkt, wann die Sanierung beginnen kann, gibt es bis heute nicht.

 

Steglitz benötigt 150 Millionen

Auf 150 Millionen Euro summiert sich der Sanierungsbedarf allein in Steglitz-Zehlendorf, sagt Bildungsstadträtin Cerstin Richter-Kotowski (CDU). Ihre Schwerpunkte lägen vorerst auf den Themen Brandschutz, Erneuerung von Fachräumen und Sanierung von Sanitäranlagen. „Die Mittel aus dem Schul- und Sportanlagensanierungsprogramm des Landes schöpfen wir voll aus. Und auch ein Großteil der bezirklichen Investitionsmittel fließt in die Schulen“, so die Stadträtin. „Aber ich kann nicht in drei Jahren aufholen, was 20 Jahre lang verschlafen wurde.“

 

Zwar sind für den Doppelhaushalt 2014/2015 große Summen für Schulbauten vorgesehen, dennoch werden die Schüler auch in den kommenden Jahren häufig noch unter unzumutbaren Bedingungen lernen. Zumal ein Großteil der vorgesehenen Investitionen angesichts steigender Schülerzahlen in die Schaffung neuer Schulplätze fließen muss statt in den Einbau neuer Heizungen und Fenster. Für den Schulbau sind laut Bildungsverwaltung Investitionen mit einem Gesamtvolumen von 580 Millionen Euro vorgesehen, bis 2017 sollen davon 200 Millionen Euro abgerufen werden. Zusätzlich stehen jährlich 64 Millionen Euro für die Sanierung der Schul- und Sportstätten laut der Haushaltsplanung bereit, wenn das Abgeordnetenhaus dem Entwurf so zustimmt. Und für insgesamt 25 Millionen Euro sollen mobile Unterrichtsbauten, sogenannte Container aufgestellt werden.

 

Dort allerdings, wo die Sanierungen lange fällig sind, schwindet trotz dieser Zahlen das Vertrauen in absehbare Lösungen. Die Erfahrung zeigt, dass auch bereits geplante Maßnahmen immer wieder verschoben werden. An der Clay-Oberschule in Neukölln warten Lehrer, Eltern und Schüler nunmehr seit 23 Jahren auf ein neues Schulgebäude. Die Containerlösung war ursprünglich als eine Übergangslösung geplant. Doch der Neubau musste aus unterschiedlichen Gründen immer wieder verschoben werden. In den aktuellen Haushaltsplanungen wurde die Finanzierung des Neubaus auf das Jahr 2016 verschoben, mit einer Finanzierungslücke von 13 Millionen Euro.

 

Fürchten vor der kalten Jahreszeit müssen sich auch die Lehrer und Schüler der Hufeland-Oberschule in Buch. An den Anblick der bröckelnden Fassade des Plattenbaus sind sie gewöhnt, schlimmer aber sind die undichten Fenster. „Es zieht wie verrückt“, sagt der stellvertretende Schulleiter Uwe Hane. Ein großer Teil der Fenster kann nicht einmal mehr zum Lüften geöffnet werden, weil die Rahmen vollständig marode sind. Wie lange sich eine fällige Sanierung hinziehen kann, zeigt das Beispiel Rosa-Luxemburg-Gymnasium in Pankow. Zehn Jahre kämpfte die Schule um die Erneuerung des völlig maroden Nebengebäudes aus den 70er-Jahren. In dieser Woche konnte endlich ein Container mit acht ordentlichen Klassenzimmern als Ausweichmöglichkeit eröffnet werden. Die Sanierung des alten Gebäudes soll laut Bezirksverwaltung nun vermutlich 2016 beginnen. Auf einen Termin der Fertigstellung will sich im Bezirk niemand mehr festlegen.

 

In der Sophie-Scholl-Oberschule in Tempelhof-Schöneberg wartet man seit zehn Jahren auf die Sanierung. In der Sekundarschule geht es um die Sporthalle, insbesondere Umkleiden und Sanitärbereich. „Jährlich kriegen wir wieder die Zusage für das Folgejahr, aber darüber können wir nur noch lachen“, sagt Schulleiter Klaus Brunswicker.

 

Jalousien und Heizungen kaputt

Auch die Turnhalle der Bertolt-Brecht-Oberschule in Spandau müsste dringend überholt werden. Fenster sind an der Schule ebenfalls ein Problem, außerdem sind viele Jalousien defekt, im Sommer steht die Hitze in den Räumen. Immerhin wird seit mittlerweile sechs Jahren das Schuldach saniert. Ende 2014 soll es fertig sein. Das Arbeiten in Etappen, weil das Geld nicht auf einmal da ist, bringe aber die nächsten Schwierigkeiten mit sich, sagt Schulleiter Burkhard Möller: „Wenn das Dach fertig ist, können wir womöglich vorne wieder anfangen.“ Dabei sei die Schulverwaltung des Bezirkes durchaus willig, die Liste abzuarbeiten. „Der Zahn der Zeit nagt einfach schneller, als die Arbeiten voranschreiten“, sagt der Schulleiter.

 

Die Bezirke beziffern den Sanierungsstau auf rund eine Milliarde Euro, und das, obwohl schon in der vergangenen Legislaturperiode mithilfe des Konjunkturprogramms des Bundes und anderen Programmen fast eine Milliarde Euro in die Schulgebäude flossen. „Wir nehmen auch jetzt wieder viel Geld in die Hand für die Schulbauten, aber es ist auch klar, dass sich nicht so schnell aufholen lässt, was jahrelang versäumt wurde“, sagt Beate Stoffers, Sprecherin von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD).

Quelle:Berliner Morgenpost

http://www.morgenpost.de/printarchiv/berlin/article120029199/Mit-Winterjacke-im-Klassenzimmer.html

 

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