Regionalflughafen Kassel-Calden

Ein Millionengrab für Steuergelder

Der erste Passagier-Flug von Flughafen Kassel-Calden sollte am 4. April abheben. Auf die Reisenden wird nun jedoch statt eines Flugzeugs ein Taxi zum 70 km entfernten Flughafen Paderborn warten. Denn es haben sich nur sechs Passagiere gefunden, die den Flug von Kassel-Calden nach Antalya antreten wollten. Nicht zuletzt die Europäische Kommission hatte jegliche Bedenken über die Wirtschaftlichkeit des Flughafens lapidar von der Hand gewiesen. Dazu erklärt Michael Cramer, verkehrspolitischer Sprecher Grünen im Europäischen Parlament:

„Das Drama um den Regionalflughafen Kassel-Calden nimmt seinen Lauf. Die Streichung des ersten Flugs zeigt deutlich, dass Schwarz-Gelb lediglich ein weiteres Millionengrab für Steuergelder geschaufelt hat. Das ist jedoch keine Überraschung! Seit Beginn der Baupläne haben wir Grüne vor diesem Vabanquespiel gewarnt, dessen Risiko allein der Steuerzahler trägt. Deshalb ist es auch nur konsequent und zu begrüßen, dass der hessische grüne Fraktionsvorsitzende, Tarek Al-Wazir, dem Eröffnungszirkus und dem Jungfernflug fernbleiben wird.

Die Serie an Management-Pannen und Blamagen zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte des Flughafens. So waren ursprünglich für den Bau rund 70 Millionen DM veranschlagt, also rund 35 Millionen Euro. Inzwischen belaufen sie sich die Kosten auf mehr als 270 Millionen Euro, also ein vielfaches von der ursprünglich vorgesehenen Summe. Außerdem ist schon jetzt absehbar, dass der Flughafen Kassel-Calden auf Jahrzehnte nicht wirtschaftlich sein kann. Zwei Fluggesellschaften haben sich bereits wieder zurückgezogen und selbst der hessische Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) musste zugeben, dass „die aktuelle wirtschaftliche Situation keinen privaten Mitgesellschafter hergibt“. Das hohe Risiko wurde bewusst in Kauf genommen, obwohl die tiefroten Zahlen des Flughafens Hahn ein deutliches Warnsignal waren.

Aber auch die Europäische Kommission entzog sich bei diesem Katastrophenprojekt jeglicher Verantwortung. Auf meine Frage, ob diese staatliche Förderung des unrentablen Regionalflughafens dem EU-Beihilferecht widerspricht, verneinte sie 2010 lapidar in einem Satz mit Verweis auf ihre Entscheidung vom 25.2.2009 [1]. Dabei ließ sie auch ihre eigenen Ziele zur europaweiten effizienten Verkehrsverlagerung gänzlich außer Acht. De facto ist der Verkehr in der EU inzwischen aber für 30% aller CO2-Emissionen verantwortlich, Tendenz steigend. Der Flugverkehr nimmt nicht nur rasant zu, sondern seine Emissionen sind in der Atmosphäre drei- bis viermal so gefährlich wie am Boden. Jede Investition in einen überflüssigen Flughafen ist daher Geldverschwendung und Klimakiller zugleich!

Sogar der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Fluggesellschaften, Ralf Teckentrup, bezeichnet den Flughafen als „Investitionsgrab“ und fordert dringend eine zentrale Infrastrukturplanung für die Luftfahrt. Auch er sieht, dass es nur einigen Regionalpolitikern darum geht, sich auf Kosten des Steuerzahlers ein Denkmal in Beton zu setzen. Dabei kann man das europäische Drehkreuz Frankfurt/Main mit einer Direktverbindung auf der Schiene in nur 1 Stunde 38 Minuten erreichen.

Die Europäische Kommission ist deshalb dringend dazu aufgerufen, in der anstehenden Revision der Leitlinien für staatliche Beihilfen für Flughäfen und Luftfahrtunternehmen endlich ihre Lehren zu ziehen. Wir brauchen strengere Kriterien für die Genehmigung staatlicher Beihilfen, aber auch faire Regeln für den Wettbewerb zwischen den verschiedenen Verkehrsträgern. Bereits jetzt profitiert der Luftverkehr – anders als die Bahn, deren Fahrgäste das alles bezahlen müssen – von einer Befreiung von der Kerosin- und auf internationalen Strecken auch von der Mehrwertsteuer. Die Zeche für dieses jährlich 30 Mrd. Euro teure Geschenk an die klimafeindlichen Airlines zahlen die Steuerzahler und die Umwelt – davon trägt der deutsche Steuerzahler 12 Milliarden Euro.“

[1] Entscheidung der Europäischen Kommission NN 112/2008 und NN 14/2007 zu staatlichen Beihilfen im Fall Kassel-Calden, siehe auch komplette Antwort der Europäischen Kommission

Michael Cramer MdEP
Europäisches Parlament

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