Sehr geehrter Herr Lederer,
Sehr geehrter Herr Jahns,
vielen Dank für die Übermittlung des Original-Textes des Koaltionsvertrages.
Ihre Aussage, dass das Thema Lärmschutz am künftigen Hauptstadtflughafen BER den Berliner LINKEN ein wichtiges Anliegen sei, kann ich nicht nachvollziehen. Sie haben lediglich eine halbe Seite Text im o.g. Vertragswerk dafür verschwendet, um Ihr absolutes Null-Ergebnis verbal durch politischen „Schön-Sprech“ zu kaschieren. Weiterhin haben Sie sich, wenn die in Berliner Zeitung vom 17.11.2015 wiedergegebenen Aussagen von Ihnen, Herr Lederer, und auch von Frau Pop von den GRÜNEN stimmen, eine Rechtsinterpretation zueigen gemacht, von der aus sie den von nächtlichem Fluglärm geplagten Menschen nie mehr wirksam werden helfen können, wenn Sie denn bei dieser stehen bleiben wöllten.
Zur Sache: Mit dem vorgeschlagenen Lärmpausen-Modell DROPs (=Dedicated Runway Operations), also dem „Anwohner-Schlaf-Stören im alternierenden Schichtbetrieb“ leisten Sie Null Entgegenkommen gegenüber den Menschen im Flughafen-Umfeld, sondern Sie bleiben innerhalb der gesetzlichen Auflagen des Planfeststellungsbeschlusses stecken, denen Sie ohnehin nachzukommen haben und dessen Sie sich nicht zu rühmen brauchen, weil das ja nun nicht besonders erwähnenswert ist. Auf Betriebsregime-Regelungen haben die Anwohner nämlich laut Planfeststellungsbeschluss, S. 105, Absatz 5.1.1.7 ein notfalls sogar einklagbares Recht; – wenn es denn überhaupt hilfreich wäre. Dort heißt es:
„Die nächtlichen An- und Abflüge mit Flugzeugen sind unter Berücksichtigung der Siedlungsstruktur und, soweit es aus Gründen der Flugsicherheit vertretbar ist, so auf die Start- und Landebahnen zu verteilen, dass sich daraus insgesamt unter Berücksichtigung der Maximalpegel an- und abfliegender Luftfahrzeue sowie der Zahl der davon Betroffenen die geringst mögliche Belastung für Flughafenanwohner ergibt.“
Für die fehlende Durchsetzungsfähigkeit der Verhandler-Mehrheit aus LINKEN und GRÜNEN beim Thema Nachtflugverbot haben Sie sich nun, Herr Lederer, zusammen mit Frau Pop darüberhinaus bequemerweise dazu entschlossen, sich hinter einer besonderen RechtsInterpretation bzgl. der rechtlichen Möglichkeit eines Nachtflugsverbots zu verstecken. Die Berliner Zeitung beschreibt Ihrer beider Haltung so:
Man musste „jenseits eines rechtlichen Eingriffs in den Planfeststellungsbeschluss“ bleiben, gestand die Grünen-Fraktionsvorsitzende Ramona Pop ein. Selbst wenn sich alle Flughafengesellschafter auf eine längere Nachtruhe einigen würden, „die Airlines hätten den Anspruch, trotzdem zu fliegen“, fügte Linken-Chef Klaus Lederer hinzu. Der Planfeststellungsbeschluss bestimme, wann der BER betrieben werden muss, sagte er in Radio Eins. – Quelle: http://www.berliner-zeitung.de/berlin/verkehr/koalitionsvertrag-mit-dem-ber-nachtflugverbot-faellt-das-erste-wahlversprechen-25115568
Mir fallen problemlos drei renommierte Verwaltungsrechtler ein, die das Gott sei Dank ganz anders sehen. Deren andere Rechtsauffassung: Wie lange in der Nacht Flugbetrieb auf dem künftigen Hauptstadtflughafen sein soll, kann durch Änderung in der Landes- und Landesentwicklungsplanung erreicht werden, vorausgesetzt, Sie und Ihre anderen politische Mit-Akteure hätten den entsprechenden politischen Willen dazu.
In Ihren Wahlprogrammen haben Sie Ihren Wählern definitiv ein Nachtflugverbot versprochen. Nach Ihrer heutigen Auffassung hätten Sie ja den Wählern etwas versprochen, was gar nicht geht. Meine Fragen dazu: Haben Sie es gewusst und die Wähler bewusst täuschen wollen? Dann wären Sie äußerst unehrlich mit Ihren Wählern umgegangen. Oder haben Sie es zu dem Zeitpunkt nicht gewusst, als Sie das Wahlprogramm verfassten, dass die Planfestellung einen nächtlichen Gnaden-Akt für die BER-Anwohner gar nicht zulässt? Im letzteren Fall hätten Sie nicht ordentlich rechechiert und würden schlampig arbeiten. Egal, welches der beiden Fälle zutrifft oder nicht: Beides, sei es das charakterliche Defizit der Unehrlichkeit und des Lügens oder aber das schlampige Arbeiten ohne gründliche Vorab-Klärungen, befähigt Sie eigentlich nicht zu einer Beteiligung an der Regierung eines deutschen Bundeslandes.
Mit den konkurrierenden Rechtsauffassungen werden Sie sich mit uns in der laufenden Legislaturperiode ganz gewiss noch auseinandersetzen müssen. Bei der BI Kleinmachnow ist schon ein Spendenkonto eröffnet worden, dessen Geld-Eingang allein für die Finanzierung eines Volksbegehrens im Land Berlin zur Frage eines erweiterten Nachtflugverbots von 22.00 Uhr bis 06.00 Uhr verwendet werden wird. Gestartet wird damit nach der Eröffnung des BER.
Ganz Blankenfelde-Mahlow wird sich zudem ganz gewiss hinter diese geplante Vorgehensweise der BIs stellen. Dort hat man nämlich das Problem, dass Ihre favorisierte DROPs-Lösung den Menschen kaum etwas bringt. Teile Blankenfelde-Mahlows liegen immer unter den beiden Einflugschneisen bzw. immer dazwischen. Tausende im dichtbesiedelten Ortskern hören zudem den Lärm beider Bahnen. Diese Menschen zwischendrin haben durch Ihre DROPs nie eine erweiterte Nachtruhe.
Im Nahbereich der schwerstbetroffenen Gebiete wird in der ruhigen Nacht durch eine alternierende Bahnbelegung auch keine wirkliche Ruhe einkehren, weil die beiden Bahnen dann doch zu nahe aneinander liegen und der Wind die Schallwellen vom Süden in den Norden oder umgekehrt verschieben wird. Den gewünschten DROPs-Effekt spüren nach Aussagen des Flughafenplanes Dieter Faulenbach da Costa erst die Einwohner in 14 bis 18 Kilometern entfernten Siedlungen. Und ja, natürlich, auch ihnen ist Entlastung zu gönnen.
Wer aber sollte denn nicht prioritär nach schwerster Tagesbelastung unter dröhnenden Flugzeugen das Recht auf eine Entlastung in der Nacht haben, wenn nicht die Schwerstbetroffenen in Blankenfelde-Mahlow und in den Berliner Stadtteilen, die ähnlich gebeutelt werden? Den nahen Anwohnern aber ist mit nichts anderem zu helfen, als dass man die Lärmquellen einfach am Boden und nicht fliegen lässt.
Dass das so ist, haben die Flughafen-Verantwortlichen selbst verursacht: Durch die falsche Standortwahl, falsche Planungen und durch die Unterlassung von Siedlungs- und Neubau-Verboten in den flughafennahen Kommunen nach ihrem Konsensbeschluss in 1996, indem sie sich wider alle raumplanerische Vernunft für diesen Standort entschieden haben. Es ist absolut unethisch, dass sie nun sehenden Auges die Gesundheit Tausender von Menschen opfern wollen, damit der politische kollektive Riesen-Kardinalfehler für den Betrieb des Flughafens bloß keine wirtschaftlichen Folgen haben soll..
Nein! Die gesamte Folgenlast des BER-Versagens kann nicht nur auf eine kleine Minderheit überwälzt werden, und der Rest kassiert und fliegt heidiwitzka jederzeit vogelfrei durch die Gegend. An einem Nachtflugverbot am BER führt kein Weg vorbei, denn den viel zu vielen, nahen Anwohnern ist anders nicht zu helfen.
Wir, die Menschen in Blankenfelde-Mahlow, werden die ungenießbar ätzend-sauren DROPs nicht lutschen, von denen Sie sich eine sedierende und tranquillierende Wirkung auf die unbetroffene, desinformierte Öffentlichkeit versprechen. Wir werden kämpfen, – und Sie werden es spüren!
Weiterhin geht von Ihrem Verhalten ein fatales Signal aus. Es gibt nach unserer brandaktuellen Erfahrung also keine etablierte Partei in der Hauptstadt-Region mehr, die es sich für Fluglärm-Opfer zu wählen lohnen würde. Keine davon ändert etwas. So allmählich wächst mein Verständnis für Nicht-Wähler bzw. für die, die bei der nächsten Wahl ihre Zuflucht zu der amerikanischen Lösung nehmen, die da lautet: „Wenn ich schon wen wähle, dann wähle ich doch mal zur Abwechselung das „ehrlich bekennende A…loch“, denn die anderen sind nichts anderes. Letzteres hilft mir zwar auch nicht, bietet aber den Vorteil, dass es mich wenigstens nicht belügt.“ Wenn Sie also in der Zukunft mal ein äußerst schwaches Wahlergebnis beklagen, den Erfolg nicht auf Ihrer, sondern auf einer Seite sehen, wo es fatal für alle ist, dann seien Sie bitte so ehrlich zu sich selbst und gestehen Sie sich bitte ihren eigenen Schuldanteil daran ein.
Mit freundlichen Grüßen
Sigrid Zentgraf-Gerlach,
BI Mahlower Schriftstellerviertel (BIMS e. V.)
– 1. Vorsitzende –