Abweichungen von den Flugrouten vergrößern die Lärmbelastung über unsere Köpfe

Piraten: Abweichungen von den Flugrouten vergrößern die Belastung der Berliner
Viele Flugzeuge in Tegel weichen von den festgelegten Flugrouten ab. Die Daten darüber werden nicht erfasst, sagt die Flugsicherung.

Die festgelegten Flugrouten (rot) und die tatsächlich geflogenen am 25. Februar 2014.

Der Hauptstadtflughafen BER wird vermutlich erst 2017 eröffnet, so lange müssen Tegel und Schönefeld noch durchhalten. Besonders Tegel platzt aus allen Nähten. Im vergangenen Jahr wurden rund 174 000 Starts und Landungen gezählt, fast 20 000 mehr als 2009. Der Fraktionschef der Piratenfraktion, Martin Delius, wollte per parlamentarischer Anfrage vom Senat wissen, wie viele der Flüge von den festgelegten Routen abwichen und damit das Lärmproblem für die Anwohner verschärften. Zu seiner Überraschung musste der Senat passen, weil die Deutsche Flugsicherung (DFS) »weder Daten über die Zahl von Flugverkehrskontrollfreigaben erhebt, noch eine entsprechende Höhenzuordnung vornimmt«, erklärte Christian Gaebler, Staatssekretär in der Stadtentwicklungsverwaltung. Auch über die Gründe des Abweichens werden keine Daten erfasst.

»Es scheint, als ob hier aus rein ökonomischen Interessen alternative Flugrouten genutzt werden, die zu einer massiven Lärmbelastung der Bevölkerung führen«, kritisiert Delius. Dass man solch ein Vorgehen zu Lasten der Bevölkerung nicht statistisch dokumentieren will, liege auf der Hand sagt der Abgeordnete mit Verweis auf den Sachverständigenrat für Umweltfragen. Das Gremium, das die Bundesregierung berät, hatte erst kürzlich in einem Gutachten die Praxis der DSF besonders in Tegel scharf kritisiert, dass bei Starts ab einer Flughöhe ab 5000 Fuß (etwa 1525 Meter) »generell eine abweichende Einzelfreigabe erteilt wird«. Das erfolge teilweise so regelmäßig, »dass neben den festgelegten Flugrouten alternative ›faktische› Flugrouten entstehen«. Dies komme einer Umgehung der festgelegten Routen gleich und sei rechtswidrig. Laut Sachverständigenrat würden Piloten die Erlaubnis häufig beantragen, um aus ökonomischen Gründen möglichst früh in Richtung ihres Flugziels abzudrehen.

Dies will DSF-Pressesprecher Stefan Jaekel nicht ausschließen, aber »je kürzer der Flug, desto besser für die Umwelt«. Ansonsten aber sei die Freigabe im Luftverkehr total üblich, international würde dafür sogar eine Grenze von 1000 Fuß gelten. »Für Tegel haben wir extra aus Lärmschutzgründen 5000 Fuß gewählt.« Unter dieser Höhe dürften die Maschinen nur aus Sicherheitsgründen von ihrer Route abweichen, etwa bei Gewitter oder zu geringem Abstand. Darüber werde die Freigabe nach Anfrage des Piloten aber in der Regel immer erteilt. Damit solle auch vorgebeugt werden, dass sich unterschiedlich schnelle Flugzeuge im selben Korridor zu nahe kommen könnten.

Dass die Abweichungen nicht erfasst werden, begründete Jaekel mit dem Aufwand. »Wir müssten bei jedem einzelnen Flug den Funkverkehr dokumentieren.« Aber wenn Bürger und Politiker zu einzelnen Flügen Auskunft wünschten, gebe man die.
Für den Sachverständigenrat ist die Freigabe vor allem deshalb rechtswidrig, weil sie »weder nach Lautstärke der unterschiedlichen Flugzeugtypen noch nach der Schutzbedürftigkeit des überflogenen Gebiets unterscheidet«. Delius fordert den Senat auf, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass sich Airlines und Flugsicherung an die ursprünglich genehmigten Flugrouten halten und nur in wirklichen Notfällen davon abweichen.

Andernfalls befürchtet er für den BER, »dass die geplanten Flugrouten faktisch ausgehöhlt werden, bevor der Flughafen überhaupt in Betrieb gegangen ist.« Sollte die Flugsicherung die permanenten Ausnahmen weiterhin erlauben, so müssten die Schallschutzmaßnahmen um den BER um ein Vielfaches erweitert werden. Das fordert auch die Friedrichshagener Bürgerinitiative, die schon lange auf das Problem hinweist. »Und bei uns soll nicht mal die Regelung wie in Tegel gelten, dass am Wochenende und nachts erst ab 8000 Fuß die Route verlassen werden darf«, sagt Sprecher Manfred Kurz. »Der Lärmteppich wird immer breiter.«

Quelle: http://www.neues-deutschland.de/artikel/950632.laermteppich-ueber-der-stadt.html

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