Etwas Nach(t)hilfe für die BZ

Sehr geehrter Herr Schipelius,
von einem guten Journalisten erwarte ich wesentlich mehr Hintergrundwissen, den Willen zur Recherche nach allen Facetten eines Problems hin und den Verzicht, im Bereich des originären Journalismus nur sehr einseitige Meinung abzusondern. Redlichkeit und der Verzicht auf Zynismus wäre grundsätzlich auch nicht schlecht!

Mit freundlichen Grüßen
Sigrid Zentgraf-Gerlach
Bürgerinitiative Mahlower Schriftstellerviertel (BIMS)

Etwas Nachhilfe gefällig?

Pressemitteilung der Bürgerinitiative Mahlower Schriftstellerviertel (BIMS) aus Anlass des Starts der Volksinitiative für ein erweitertes Nachftlugverbot

Nachtflug ist üBERflüssig!

 Ohne die Ausdehnung des Flugverkehrs auf die Nachtrandzeiten zwischen 22.00 Uhr und 24. 00 Uhr sei der wirtschaftliche Erfolg des neuen Großflughafens BER gefährdet. Das sagt gebetsmühlenartig immer wieder Flughafenchef Rainer Schwarz. Und mit ihm im Chor die politischen Repräsentanten der Anteilseigner der Flughafenbetreibergesellschaft (FBS), der Regierende Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit, der brandenburgische Minister­präsi­dent Matthias Platzeck und Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer. Das Entstehen von dringend benötigten 18 000 Arbeitsplätzen werde durch ein Nachtflugverbot verhindert. Und dafür hätten die nächsten Nach­barn des neuen BER dann eben Beein­träch­tigungen in ihrer Schlafqua­lität hinzu­nehmen.

Eine zynische Argumentation. Wer einmal bei wikipedia nachschlägt, um sich am schnell­sten über die Folgen von Schlafentzug zu informieren, wird über die Fol­gen aufge­klärt. Dort steht zu lesen: „Dauerhafter Schlafmangel führt zu körperlichen Be­schwer­den (beispielsweise erhöhte Infektanfälligkeit, Kopfschmerzen) und zu psychi­schen Proble­men (beispielsweise Denkstörungen, Müdigkeit, Halluzinationen, Reiz­barkeit). Dauer­hafter methodischer Schlafentzug wird daher auch als Methode der Folter unter anderem dazu eingesetzt, um klares Denken des Opfers zu unterbinden und um den Willen sowie die Widerstandskraft des Opfers zu brechen und so beispielsweise Aussagen zu erpressen.“ Und etwas weiter unten im Text: „Schlafentzug wird auch heutzutage noch oft als Folter­methode angewandt – unter anderem, weil er keine nachweisbaren körperlichen Spuren beim Opfer hinterlässt und auch psychische Schäden als Folgeschäden schwer nachweis­bar sind (sogenannte Weiße Folter).“

Wer nun bei der Anhörung am 7. April letzten Jahres im brandenburgischen Landtag zum Nachtflug durch den Ausschuss für Infrastruktur und Landwirtschaft dem von den GRÜ­NEN eingeladenen Luftfahrtexperten Dieter Faulenbach da Costa richtig zugehört hat, hat danach die Welt erst recht nicht mehr verstanden. Nach seinem Vortrag durfte man als Fazit mit nach Hause nehmen, dass durch ein Nachtflugverbot die versprochenen 18 000 Arbeitsplätze gar nicht entstehen werden, und – das war das Ver­wun­derliche! – Nachtflug auf europäischen Flughäfen auch noch aus betriebswirtschaftlicher Sicht über­haupt kei­nen Sinn macht; Nachtflug sei einfach üBERflüssig!

 

Nur nach einem von der FBS in Auftrag gegebenen Gutachten entstünden diese Arbeits­plätze in dieser hohen Zahl. Daneben aber existiere noch ein vom Land Brandenburg in Auftrag gegebenes Prognosegutachten. Und danach hätte eine Nachtflugbeschränkung keinen wesentlichen Einfluss auf das Verkehrsaufkommen.

 

Und auch für die Entstehung eines Drehkreuzes sei Nachtflug nicht notwendig, denn Dreh­kreuze entstünden durch eine bestimmte strategische Ausrichtung einer Airline und nicht durch Nachtflug­betrieb. Insgesamt liege der Nachtflugbedarf in Deutschland ohne­hin nur bei etwa zwei Prozent der gesamten Nach­frage nach Flügen.

 

Weiter weist Faulenbach da Costa darauf hin, dass nächtliche Öffnungszeiten bei Flug­­häfen gar nicht kostendeckend seien. Sie müssten immer durch die Tageseinnahmen quer­subventioniert werden, denn lange Öffnungszeiten erzwän­gen die Präsens von nahezu allen Mitarbeitern in einer weiteren Schicht für höchstens zwei bis fünf Prozent aller Fluggäste, die überhaupt nur Flüge  in den Randzeiten nachfragten. Nachtflug sei einfach immer ein Zuschußgeschäft. Dabei stehe ein Single-Airport wie der BER in der Hauptstadtregion ja auch in keiner Konkurrenz zu ei­nem anderen Flughafen. Wer nach Berlin fliegen wolle, richte sich auch immer auf die fixen Öffnungszeiten dieses einzigen Flughafens ein. Für den BER ist Nachtflug also ganz besonders üBERflüssig.

 

Und wenn, wie im Fall des BER, es ohnehin schwierig wird, Gewinne durch die Tageseinnahmen zu erzielen, so fragen sich kritische Geister, subventionieren dann am Ende die Länderhaushalte von Berlin und Brandenburg sowie der Etat des Bundesverkehrsministe­riums die „weiße Folter Schlafentzug“ für die Menschen im Nahbereich des BER? Nur weil einige Airlines und ihnen willfährige Landespolitiker das so wollen?

 

Wer die sinnlose Qual der Anwohner als Steuerzahler nicht mitfinanzieren will, spricht sich eindeutig gegen den Nachtflug aus.  Außer den Airlines. Die erhalten so die Möglichkeit, bei Nahstrecken in Europa drei Umläufe am Tag zu machen und ihre Gewinne zu maximieren. Wenn das nur mit Geld subventioniert werden müsste, wäre es noch irgendwie lediglich grenzwertig schlimm. Aber in diesem Fall subventionieren die Flughafenbetreiber die wettbewerbswidrige Verzerrung durch die Bevorteilung der Luftverkehrswirtschaft gegenüber anderen Verkehrsmitteln auch noch mit der Gesundheit der Flughafen-Anwohner. Und was sonst wäre Zynismus pur!

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Eine Antwort auf Etwas Nach(t)hilfe für die BZ

  1. Jens Callsen sagt:

    Ich schlage vor die Antwort auf derartige Artikel zu personalisieren.

    Es ist heutzutage üblich PKW mit beachtlichen Soundanlagen auszustatten. Warum können nicht „zufälligerweise“ einige Soundfreunde nicht dort parken wo Hr. X und Hr. Y wohnen. Das ist keine Demo, das ist nicht ammeldepflichtig. parken im Straßenland ist erlaubt und Musikhören (Fluglärm und Metallica klingen manchmal ähnlich) ist nicht verboten bzw. bestenfalls ordnungswidrig, was nur eine Abmahnung bzw. einen Standortverweis einbringt. na und ?

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