„Flygskam“ – die neue Scham vor dem Fliegen bald auch in Deutschland?
Flugscham, auf Schwedisch „Flygskam“ ist eine Wortneuschöpfung, welche sich im Zuge der Proteste gegen den Klimawandel in Schweden formte. Nur noch hinter vorgehaltener Hand wird von Flugreisen berichtet. Den Deutschen ist diese Scham bislang noch unbekannt.
Die „Fridays for Future“ Proteste, ausgelöst von der jungen Klimaaktivistin Greta Thunberg aus Stockholm, ließen die junge Frau zu einer Ikone eines neuen Lebensstils werden, dem man sich in der schwedischen Gesellschaft kaum zu entziehen wagt. Greta lebt vegan und würde nie in ein Flugzeug steigen. Aufgrund der Klimaerwärmung fordert sie und ihre Bewegung die Verteuerung von Langstrecken-Flugreisen um 2.000 Euro pro Ticket, um die CO2-Emissionen zu verringern.
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Auszüge aus: Flygskam – Scham und Schande für das Fliegen mit dem Flugzeug
https://www.heise.de/tp/features/Flygskam-Scham-und-Schande-fuer-das-Fliegen-mit-dem-Flugzeug-4354163.html?seite=all
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In Schweden werden der Flugzeug-Boykott und der Hashtag „Flygskam“ gerade cooler Öko-Trend. Flygskam setzt sich aus den schwedischen Wörtern „flyg“ und „skam“ zusammen und meint „Flug“ und „Schande“. Wer die Umwelt und das Klima schützen will, sollte danach vor allem auf eines verzichten: Flugreisen. Wer es trotzdem tut, sollte sich schämen oder zumindest mit der Verachtung der prinzipienfesten Ökologiebewegung rechnen. Das ist exemplarische Öko-Moralpolitik.
Nur im Rechtsleben ist widersprüchliches Verhalten unzulässig, nicht im politischen und persönlichen Leben
Mit der Prinzipienfestigkeit ist das allerdings so eine Sache. Kürzlich lösten zwei Mitglieder von Bündnis 90/Die Grünen einen heftigen Shitstorm aus, als ihre privaten Flug-Eskapaden bekannt wurden. Die deutsche Klimaaktivistin Luisa Neubauer, eine der Hauptorganisatorinnen des von Greta Thunberg inspirierten Schulstreiks „Fridays For Future“, hatte ausweislich ihres Instagram-Accounts Fernreisen nach Kanada, Honkong, Schweden, England, Marokko, China, Indonesien, Namibia, Schottland, Tanzania unternommen (Der Account wurde mittlerweile „bereinigt“). Daneben bereiste sie in der näheren Umgebung Frankreich, Italien, Österreich, Belgien, Schweiz, Polen und die Niederlande.
Nimmt man nur die zehn Fernreisen der dem Klimaschutz dienenden Aktivistin, so hat sie nach dem CO2-Rechner von Atmosfair den Ausstoß von rund 27.000 kg CO2 verursacht. Nach den Berechnungen von Atmosfair liegt das klimaverträgliche Jahresbudget eines Menschen bei 2.300 kg/Jahr, wenn die durchschnittliche Erderwärmung bis 2050 auf 2°C gegenüber dem vorindustriellen Niveau begrenzt werden soll. (…) Die Grüne Luisa Neubauer hat somit bereits bis zu ihrem 21. Lebensjahr nicht nur den gewaltigen Berg von 27 Tonnen Kohlendioxid verursacht, sondern damit ihr klimaverträgliches CO2-Jahresbudget für 12 Jahre verbraucht. Bis zum Jahr 2030 dürfte sie dann wohl nur noch Reisen mit dem Fahrrad unternehmen, um nicht Scham und Schande zu erleben.
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Der ökologische Ablasshandel
Zur Auflösung des moralischen Zwiespalts und der schlechten Gefühle ist allerdings schon Abhilfe geschaffen. Möglicherweise stand dafür die katholische Kirche Pate. Denn im Mittelalter konnte man zur Tilgung seiner Sünden Ablassbriefe erwerben und damit Strafen im Fegefeuer entgehen. Heute bieten Umweltschutz-NGO wie Atmosfair nicht nur ökologische Aufklärung, sondern auch ökologischen Sündenerlass für Bares. Man gibt in den CO2-Rechner seine Flugreise ein und erhält zugleich einen daraus resultierenden Kompensationsbetrag ausgewiesen, den man an die NGO überweist. Diese unterstützt dafür Klimaschutzprojekte. Für einen Flug nach Sydney (über Singapur) ist man mit der Zahlung von 261 € alle schlechten Gefühle los. Sozusagen erst „rumsauen“ und dann „per cash“ andere aufräumen lassen. Und aus dem ökologisch orientierten Freundeskreis braucht man mithilfe eines solchen Absolutions-Zertifikats auch keine moralische Ächtung mehr erwarten.
An dieser Stelle tut sich ein weiteres interessantes Feld auf. Auch wenn Flugreisen billiger werden, muss man sie sich erst einmal leisten können. Und die Reisenden mit dem schlechten Gewissen müssen on top zusätzlich die Absolutions-Gebühren zahlen können. Zusätzlich oder alternativ (?) schlagen die Grünen aktuell eine Erhöhung der Kerosinsteuer vor. Soll diese (für wen?) das Reisen zu teuer machen und für die, die es sich noch leisten können, eine neue Variante der Gewissensberuhigung sein? Wer fliegt denn so durch die Weltgeschichte? Wie kann man denn weltoffener Kosmopolit sein, ohne – alle störenden Grenzen hinter sich lassend – zu den attraktivsten Großstädten der Welt zu fliegen? Wie kann man sich als Natur- oder Kulturliebhaber denn praktisch für die Naturschönheiten der Welt und den Reiz anderer Kulturen begeistern, wenn man nicht fliegender Globetrotter ist? Geld, sozialer Status und Bildung scheinen dabei für das Unternehmen von Flugreisen eine zentrale Rolle zu spielen.
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Kritisch-kreative Milieus haben sehr hohe Energieverbräuche und CO2-Emissionen
Eine Studie des Umweltbundesamtesuntersuchte vor einiger Zeit den Pro-Kopf-Verbrauch von natürlichen Ressourcen durch unterschiedliche Bevölkerungsgruppen. Es wurden unter anderem Daten und Informationen zu den Bereichen Heizung, Warmwasserverbrauch, Wäschewaschen und -trocknen, Kühlen und Gefrieren, Kochen, Beleuchtung, Geräte der Informations- und Kommunikationstechnik, Alltagsmobilität, Urlaubsreisen, Nahrung, Kleidung, Saunabesuch und Haustierhaltung abgefragt.
Anlass für moralische Überlegenheit besteht danach gerade auch für alternativ-kritische Milieus nicht. Diese Milieus sind u.a. gekennzeichnet durch mittlere oder höhere Formalbildung, sie sind aufgeklärt, weltoffen, tolerant und engagiert und haben vielfältige intellektuelle und kulturelle Interessen. Ihr Lebensmotto ist: Die Dinge kritisch hinterfragen sowie verantwortlich und sinnvoll leben.
Bemerkenswert ist, so eine zusammenfassende Feststellung des Bundesumweltamtes, dass der Energieverbrauch gerade auch in den sozialen Milieusegmenten überdurchschnittlich hoch ist, bei denen positive Umwelteinstellungen verbreitet sind. Die „gehobenen Milieus“, also jene mit hohem Einkommen, haben besonders viele und große Autos, energiefressende Geräte im Haushalt, ihre Wohnungen sind größer und verbrauchen dementsprechend mehr Energie. Aber auch die „kritisch-kreativen Milieus“ weisen ein „überdurchschnittliches Niveau des Verbrauchs stofflicher Ressourcen“ auf.
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Bahn predigen, Business fliegen oder anders gesagt: Vielflieger und Vielversprecher
Die Forschungsgruppe Wahlen befragte am Jahresanfang Bürger nach ihrer Einstellung zu Flugreisen: Danach sind die Grünen-Wähler mit Abstand diejenigen, die am häufigsten fliegen. 49 Prozent von ihnen gaben an, mindestens einen Flug in den letzten zwölf Monaten unternommen zu haben. Von den Wählern der Linken waren dies 42 Prozent. Deutlich weniger Wähler von CDU/CSU und SPD waren mit dem Flugzeug unterwegs: 36 und 32 Prozent.
Die Grünen-Wähler sind jünger, gebildeter und verdienen besser als der Durchschnitt – typische Merkmale, die mit einer häufigen Nutzung des Flugzeugs assoziiert werden. Den grünen Vielfliegern fehlt keinesfalls das kritische Bewusstsein. Gerade Grünen-Wähler, auch das zeigt die Umfrage, kennen die Klimafolgen des Flugverkehrs sehr genau, besser als die Wähler der Christ- oder Sozialdemokraten. Angesichts der oben beschriebenen Verhältnisse ist es nicht überraschend, dass Grünen-Wähler überwiegend gleichzeitig finden, es sei nicht gut, „dass sich so viele Menschen heute leisten können zu fliegen“. Auch hier lagen sie deutlich vor anderen Parteianhängern. Man nimmt also selbst Dinge in Anspruch, die man anderen eher nicht gönnt…
Ende
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Pressemitteilung von Jörg Cezanne |
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