BER: Fass ohne Boden

Ein Gespräch mit Dieter Faulenbach da Costa

Interview: Ralf Wurzbacher
Der Architekt und Flughafenplaner Dieter Faulenbach da Costa ist einer der profiliertesten Kritiker des Bauprojekts »Hauptstadtflughafen BER«. Er hat immer die Entwicklung eines Großflughafens in der Umgebung der Hauptstadt befürwortet, den Standort Schönefeld 1993 im Raumordnungsverfahren als ungeeignet beschrieben

Als Sie sich zu Jahresbeginn 2013 im Interview mit junge Welt zum Berliner Großflughafen BER äußerten, war für die Eröffnung das Jahr 2014 avisiert. Jetzt sieht es so aus, als wäre nicht einmal die Vorgabe 2017 zu halten. Trauen Sie sich noch eine Prognose zu?

Nein. Offensichtlich wissen nicht einmal die Planer, mit welchen Mängeln sie zu tun haben. Da werden Probleme gelöst, die es nicht gibt, und vorhandene Probleme nicht angegangen. Statt sich auf die Betriebsgenehmigung zu konzentrieren, wird der zukünftige Betrieb bereits optimiert. Dies wird zur Folge haben, dass notwendige Anpassungen im realen Betrieb nicht mehr möglich sind. Bei Volkswagen lernen wir gerade, dass mit Computern vieles manipuliert werden kann, dass Vertuschen aber ins Auge geht. Die »Beschleunigung« des ehemaligen Flughafenchefs Rainer Schwarz und der »Sprint« seines Nachfolgers Hartmut Mehdorn waren eine szenisch auf hohem Niveau arrangierte – teure – Pantomime: ein hochdrehender Motor im Leerlauf.

Zuletzt mussten die Bauarbeiten wegen übergewichtiger Rauchgasventilatoren ruhen. Dabei war das Problem wohl schon seit 2010 bekannt …

So hat es der ehemalige Generalplaner Hubert Nienhoff im BER-Untersuchungsausschuss dargestellt. Dann muss es wohl auch stimmen, er war damals ja dabei. Wenn nun Flughafenchef Karsten Mühlenfeld noch mit unerwarteten Ereignissen rechnet, so seine Aussage, sagt dies etwas über die Qualität der Aktenlage und den Informationsstand bei der Flughafengesellschaft aus.

Nienhoff sagte auch, das Projekt werde seit Jahren von den beteiligten Firmen und Ingenieuren »geplündert«. Ist der BER nur ein Bereicherungsobjekt, also ein Art Fass ohne Boden?

Auch hier lasse ich dem Kollegen Nienhoff gerne den Vortritt. Dass das Projekt ein Fass ohne Boden ist, ist offensichtlich. 2012 habe ich Gesamtkosten von sieben Milliarden Euro genannt, die dürften nun locker erreicht werden. Einen adäquaten Flughafen wird es damit aber nicht geben.

Welche »Baustellen« sind Ihnen noch bekannt?
Es geht beim BER – land- und luftseitig – um die geballte Form dessen, was an Fehlern auf einer Baustelle passieren kann. Potemkinschen Dörfern nicht fremd, wurden Fassaden errichtet. Und, immer noch aktuell, die fehlende Kapazität!

Also ein Schrecken ohne Ende?
Bereits 2012 und erneut 2015 habe ich mehrere ernsthafte und weniger ernsthafte Alternativen empfohlen – Satellitenairports, Entkernung oder Dynamit. Die zuständigen Landesbehörden haben es versäumt, den Rahmen für Satellitenairports rechtzeitig verfügbar zu machen. Das rächt sich nun.

Tatsächlich hat der Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft FBB Ende September entsprechende Vorhaben angekündigt, etwa den Ausbau und Weiterbetrieb von Berlin-Schönefeld. Ist das nach Ihrem Geschmack?
Die neuen Planungen der Flughafengesellschaft haben mit Zukunft nichts zu tun. Das ist eher der Schrei der Verzweifelten, wie der von Edward Munch. Da wird Volumen für teures Geld errichtet, aber kein kapazitives Problem gelöst. Die Erweiterungen werden nicht rechtzeitig verfügbar sein. Dies kann gut mit einem abgewandelten Zitat von Walter Ulbricht beschrieben werden: Die Flughafengesellschaft will ihren Erfolg überholen, ohne ihn je einzuholen.

Sehen Sie überhaupt noch Alternativen – mit oder ohne BER?
Wer alleine auf den Standort Schönefeld setzt, wird auch bald die Frage der nächsten – der dritten – Piste beantworten müssen. Aber auch weitere Bahnen dürfen dann nicht mehr ausgeschlossen werden. Spätestens im Jahr 2035 wird die Frage nach einem zentralen Drehkreuz für Deutschland, mit dann vorhandener Infrastruktur, zu beantworten sein. Die Hauptstadt hat das Potential, mit dem Einzelstandort Schönefeld aber keine Chance. Deshalb sollte die Frage eines Flughafensystems, wie in London, ernsthaft diskutiert und in Erwägung gezogen werden.

Quelle: https://www.jungewelt.de/2015/10-08/019.php?sstr=da

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