Offener Brief

Offener Brief an Herrn Schulte, den Hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier, Herrn Dr. Wörner, Herrn Franz und alle weiteren Entscheidungsträgern der FRAport AG.

Sehr geehrte Herren,
als Führungskräfte besitzen Sie das, was man gemeinhin als Soft Skills bezeichnet. Diese beinhalten unter anderem Vorstellungskraft und Empathie.

Stellen Sie sich nun Folgendes vor: Sie sind jung, verheiratet und suchen mit Ihrem Partner gemeinsam nach einem Heim. Sie möchten eine Familie gründen. Sie lassen sich Zeit mit der Suche nach einem geeigneten Haus und finden es im Jahre 2003. Ja, das perfekte Heim steht zum Verkauf und Sie greifen zu. Mit viel Sorgfalt richten Sie sich ein, gestalten das Haus um. Sie fühlen sich wohl darin. Es wird zu Ihrem Rückzugs- und Erholungsort.
Das Haus liegt in einer guten Wohnlage, nicht weit von Ihrem Arbeitsplatz entfernt. Sie sind glücklich, denn Sie und Ihre Partnerin haben beide einen guten Job in renommierten Firmen.
Ihre Frau wird schwanger, die Freude ist groß. Im Jahr 2007 bringt sie einen gesunden Jungen zur Welt. Jeder verdiente Cent wird ins Haus und somit in die Zukunft investiert. Im Jahr 2011 erblickt ein weiteres Kind das Licht der Welt. Das Glück könnte nicht größer sein. Sie sind zufrieden, haben genügend Mittel zum Leben. Die Kredite bei der Bank können Sie pünktlich bedienen.
Was ich beschreibe ist ein erstrebenswertes und von der Politik gewünschtes Leben. Es ist das Leben, das viele Tausend Menschen im Rhein-Main-Gebiet führten.
Stellen Sie sich vor, es ist Ende Oktober 2011. Der Herbst ist mild. Einige Wolken stehen am Himmel. Der Wind weht aus Westen. Plötzlich werden Sie um fünf Uhr aus dem Schlaf gerissen. Es brummt und donnert. Das Haus vibriert. Sie denken an ein Erdbeben, ein Gewitter, die Müllabfuhr. Vorerst können Sie die Quelle des Geräusches nicht ermitteln. Sie sind müde und gereizt an diesem Tag und freuen sich darauf, den nächsten geruhsamer zu begehen. Doch was ist das? Wieder dröhnt und donnert es in aller Frühe und wieder finden Sie nicht mehr in den Schlaf zurück. Ihr kleiner Sohn steht weinend an Ihrem Bett und verlangt, dass Sie den Krach abstellen. Das Baby beginnt zu greinen. Eltern sind allmächtig in den Augen ihrer Kinder. Und dann fehlen Ihnen mit einem Mal die Argumente. Ihnen wird bewusst, dass Sie Ihr Kind enttäuschen müssen. Wie erklären Sie, dass Sie nur zu gerne den Lärm der Flugzeuge abstellen würden, es aber nicht können?
Es ist Februar 2012. Die Flugzeuge kommen bei Westwind, der an 75% des Jahres weht, im Zweiminuten-Takt. Von fünf Uhr morgens bis viertel nach Elf abends. Sie erreichen einen Pegel von 70-75 dba. Geschlossene Fenster helfen nicht viel, das Vibrieren und Dröhnen durchdringt selbst solide Hausmauern.
Stellen Sie sich vor, die Familie erkundigt sich nach Schallschutzmaßnahmen auf der Internetseite der Fraport und sieht, dass ihr Wohnort nicht einmal ansatzweise im Plan berücksichtigt wird. Es müssen erst sechs Monate lang Schallmessungen erfolgen, bis eine Berechnung überhaupt stattfindet.
Sie mögen nun sagen: Dann ziehen Sie doch weg, wenn es Ihnen zu laut ist.
Meine Antwort: Wir haben uns bewusst für unseren Wohnort entschieden. Sowohl wir, als auch unsere Kinder befinden sich in gefestigten sozialen Strukturen. Wir können es uns nicht leisten, umzuziehen. Stellen Sie sich vor, jemand kommt mit einer irrwitzig großen Kettensäge und schneidet ein Drittel Ihres Hauses einfach ab. Genau das ist mit unserem Haus passiert. Unsere Kettensäge ist der Fluglärm. Wir bezahlen einen Kredit, der den Wert unseres Hauses VOR der neuen Landebahn spiegelt. Wer gibt uns das verlorene Geld zurück? Sie?
Verstehen Sie, warum es schwer fällt, Verständnis für einen Ausbau des Flughafens aufzubringen, wenn die Flieger im Zweiminuten-Takt uns bereits in den Wahnsinn treiben?
Ich lade Sie hiermit ein, werte Herren, einige Tage bei uns im schönen Heim zu verbringen. Sie können alles mitbringen, was Sie zum Leben benötigen – nur keine Ohrstöpsel. Hören Sie selbst, überzeugen Sie sich mit Ihren eigenen Sinnen. Wagen Sie das Experiment. Glauben Sie mir, es kommt bei der Bevölkerung wesentlich besser an, wenn Sie sich ein reales Bild der Lage verschaffen und sich nicht in Ihren schallgeschützten – oder nicht überflogenen Refugien zurückziehen. Handeln Sie wie echte Manager und halten Sie Ihre Mitmenschen nicht für dumme Zeitgenossen.
Und bitte hören Sie auf, vom Jobwunder Fraport zu sprechen oder vom Herzmuskel der Rhein-Main-Region. Mit diesen plakativen Aussagen wird es Ihnen nicht mehr gelingen, die Menschen zu besänftigen. Es gibt auch noch andere Unternehmen, außer der Fraport AG, und diesen schulden wir unsere Arbeitskraft, die permanent von Ihrem Fluglärm geschwächt wird.
Denken Sie bitte über mein Angebot nach, es ist ernst gemeint.
Mit freundlichen Grüßen

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