Rede zur Großdemo Schönefeld am 10.09.2011 Dr. Franziska Borkenhagen, Bündnis Südost

Wir, die wir hier alle stehen sind mehr Berlin und Brandenburg, als es ein Herr Wowereit und ein Herr Platzeck angesichts ihrer Taten jemals sein können.

Friedrich der Große, der alte Fritz, hat geschichtlich nachweisbar gesagt: „Ich bin der erste Diener im Staate“. Er hat das Regieren als Dienen am Volke verstanden. Das nennt man heute preußisches Selbstverständnis, im besten Sinne des Wortes. Und was machen unsere Diener? Unsere Volksvertreter? Unsere Regierenden? Sie dienen vornehmlich der Flughafengesellschaft, dem maximalen Profit und entwerten damit massiv unsere höchstpersönlichen Schutzgüter. Sie treten unser einziges Leben, unsere Freiheit in der Natur, die mit Nichts aufzuwiegende Gesundheit, unsere Ehre aber auch unser Eigentum mit Füßen.

Es war des Sonnenkönig Wowereits wohl damalige Bedingung, er werde nur Bürgermeister, wenn er auch das Amt des Aufsichtsratsvorsitzenden der Flughafengesellschaft erhalte. Er verkannte und verkennt auch heute noch seinen politischen Auftrag den Bürgern gegenüber, also uns allen, zu dienen. „Beim Thema Flughafen darf nicht gewackelt werden.“ „Keine Koalition mit Flughafengegnern“. Der Bürger als Kollateralschaden. Das sind seine Worte, die er dem Volke entgegenschmettert.

Sein Wurmfortsatz Prinz Platzeck steht dem in nichts nach: „Das Nachtflugverbot werde ich nicht unterschreiben.“ „Wir sind eine Industrienation und die muss man schmecken, sehen, fühlen und hören.“ Danke Herr Platzeck, wir sind nicht an ihrem industriellen Mega-Erguss mit einer Zerstörung unserer Gesundheit, unserer Natur und Lebensqualität interessiert.

Der Großteil unserer Volksvertreter, deren Abbilder man derzeit auf vielen Brandenburgern und jedem Berliner Laternenpfahl bewundern kann, will wieder gewählt werden. Warum? Was tun sie für uns, außer auf unsere Kosten Wahlkampf zu machen mit „möglichen Prüfungen“, also Hinhaltetaktiken und leeren Versprechungen, anstatt die Ursache des ganzen Übels in Frage zu stellen und sich damit für ein absolutes Nachtflugverbot und eine strikte Kapazitätsbeschränkung einzusetzen? Sie machen es noch schlimmer. So verschob der Brandenburger Landtag erfolgreich den Nachtflugverbots-Antrag der Fraktion Bündnis 90/die Grünen und der Abgeordneten Goetz und Schulze und die Brandenburger Abgeordneten Hackenschmidt, Dellmann, Kosanke gaben zu, dass ihr Horizont begrenzt sei, indem sie sich gegen den Schutz der menschlichen Gesundheit entschieden. Im Berliner Abgeordnetenhaus stimmte Rot-Rot kürzlich ab: “dass eine Steigerung der Interkontinentalverbindungen unerlässlich ist.“ Damit haben sie wie, vorher auch schon, liniengetreu der Expansion des Flugverkehrs zugestimmt, auch in der Nacht, so wie es der Herr Platzeck und ein Herr Wowereit auf jeder Plattform ganz klar äußern. Damit propagieren sie vollkommen ungeniert und öffentlich den Rechtsverstoß, weil sie nicht einmal den Planfeststellungsbeschluss Ernst nehmen. Auch wenn sie es noch 20 x wiederholen sollten, es bleibt Unrecht!

Wenn die Politiker wirklich etwas für uns tun wollten, warum stimmen sie im Brandenburger Landtag oder die rot-rote Mehrheit im Abgeordnetenhaus nicht jetzt schon über ein absolutes Nachtflugverbot von 22-6 Uhr ab? Die Nacht ist gesetzlich definiert von 22-6 Uhr. Uns stehen bisher nur 5 Stunden Schlaf zu. Wem genügen schon 5 Stunden Schlaf? Ein gesunder Schlaf ist ein Menschenrecht!

Im unserem Grundgesetz steht: „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.“ Es steht nichts von Wirtschaftlichkeit vor bürgerlichen Rechten. Die Einhaltung der Grundrechte, die unserer Demokratie zu Grunde liegen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Und da ist es egal, dass damals die CDU-Männer Diepgen und Wissmann die Entscheidung für Schönefeld getroffen haben, dass der Landesvater Stolpe von der SPD elementar versagt hat und dass die Grünen, die Linken und die SPD den Bau des Flughafens schließlich beauftragt haben. Gegenseitige parteitaktische Schuldzuweisungen sind längst überholt. Entscheidend ist das Hier und Jetzt!

Und im Hier und Jetzt sagt ein Herr Wowereit: „Leute, die einen Provinzflughafen wollen, sind für mich Spinner.“ (Berliner Kurier vom 27.6.2011). Als „Spinner“ betitelt uns ein Regierender Bürgermeister von Berlin, ein Volksvertreter, nur weil wir das fordern, was für den Flughafen planfestgestellt wurde. Für diese Wowereits und Platzecks sind wir alle „Spinner“. Ich erinnere noch mal wer den Bau eines Flughafens für die regionalen Bedürfnisse mit maximal 10 % Umsteigeranteil beauftragt hat. Unter anderem die SPD. Also wo sind die Spinner?

Mir dröhnen auch noch die Sätze im Ohr: „Lärmschutz und Wirtschaftlichkeit müssen sich…nicht ausschließen.“ (SPD Wahlprogramm Treptow/Köpenick) und „Berlins Wirtschaftsperspektive hängt vom Erfolg des internationalen Flughafens ab.“ (Wowereit im Air Berlin Magazin 4/11) Welche Wirtschaftlichkeit? Welche Wirtschaftsperspektive? Ein schlechtes Investment wird niemals ein gutes Investment, Herr Wowereit! Bis heute haben sich keine Privatinvestoren für den Flughafen gefunden. Wir bezahlen mit unseren eigenen Geldern unser Verderben -und es wird noch teurer.

Welcher Lärmschutz? Der Flughafen hat bisher bei der Umsetzung des Schallschutzprogrammes betrogen, weil er nicht die Schutzziele einhält, die er selbst beantragt und genehmigt bekommen hat und die er in seiner Schallschutzbroschüre angibt. Eine Auflage des Bundesverwaltungsgerichtes besagt, 25.000 Immobilien müssen vor Inbetriebnahme des neuen Flughafens mit Schallschutz versehen sein. Statt der „über die Entschädigung und Kostenerstattung geltenden gesetzlichen Regelungen hinausgehenden…140 Millionen €“ (aus einem Brief des Stellvertretenden Parteivorsitzenden der SPD Berlin, Thomas Bosch) werden es tatsächlich über 700 Millionen € sein, wieder von unseren Steuergeldern. Bisher wurde der Schallschutz erst bei 1000 Immobilien umgesetzt. Aber wie? In Blankenfelde Mahlow sind die Schulen mit Billiglösungen ausgestattet, ein ständiges Lüfterbrummen, alle 10 min Stoßlüften. Wie können die Kinder dabei vernünftig lernen?

Ich schlage 4 Wochen Zwangaufenthalt in einem von der Berliner Flughafengesellschaft schallgeschützten Raum mitten in der Einflugschneise eines schon existierenden Drehkreuzes, vielleicht in Frankfurt am Main, für alle Wowereits und Platzecks vor. Ob dann die Arroganz der Nichtbetroffenen und Mächtigen schwindet?

15% unserer Nachkommen werden Schäden davon tragen, dass sagt selbst der Gutachter der Berliner Flughafengesellschaft (FBS) Dr. Jansen. Zehntausende Kinder werden in ihrer physischen und psychischen Entwicklung benachteiligt. Unsere Kinder werden geschädigt. Dass das Herrn Wowereit gar nicht und Herrn Platzeck nur mäßig tangiert, ist offensichtlich.

Kürzlich wurden weitere 500.000 € für die Flughafenwerbung freigegeben. Es heißt, dass Image müsste verbessert werden. Nun stellt sich die Frage: Wozu Werbung bei einem angestrebten konkurrenzlosen Single Airport? Dabei wären 350.000 € für ein Kinder-Gesundheitsmonitoring, was Aufmerksamkeitsstörungen in der Schuleingangsphase untersuchen soll, viel, viel wichtiger! Brandenburg hat nur nach zähem Ringen zugestimmt. In Berlin jedoch ist es noch nicht einmal angedacht. Vielen Dank Frau Lompscher, Senatorin für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz!

Herr Wowereit schreibt in seiner Broschüre: „Der neue Flughafen…bedeutet Aufschwung, Investitionen und viele tausend neue Arbeitsplätze.“ Wie viel Arbeitsplätze rechtfertigen eigentlich ein lärmgeschädigtes, ein durch Feinstaub belastetes erkranktes oder gar krebskrankes Kind?

Unter dem zukünftigen Lärmteppich von 25×60 qkm gibt es kein Entrinnen. Wir wissen, solange wir kein ökologisch akzeptables Maß des Flugverkehrs erreichen können, ist jeder andere Standort besser, als das Hin- und Herschieben von Flugrouten durch die Lande, von einem Betroffenen zum Anderen.

Durch diesen reflexartigen Klammergriff unserer sogenannten Volksvertreter an einer nachweislichen politischen Fehlentscheidung wird uns und unseren Kindern der Lebensraum genommen, wir werden bewusst krank gemacht, wir werden zwangsvertrieben.

Gemessen an ihren Leistungen haben es nur vereinzelt Politiker verdient, als unsere Volksvertreter wiedergewählt zu werden. Herr Wowereit, Herr Platzeck und ihre flughafenpolitiksgetreuen Demagogen gehören nicht dazu. Das Bündnis Südost hat zur Wahl allen Spitzenkandidaten der Parteien 10 zum Teil unangenehme Fragen zum Thema Flughafen und dessen Zukunft gestellt. In der nächsten Woche zeigen wir auf unserer Homepage schwarz auf weiß, wie sich die Politiker äußern und wir werden genau beobachten, wie sie sich nach der Wahl verhalten. Nur Machtverlust lässt Politiker umdenken. Lassen wir sie es bei den kommenden Wahlen durch Abgabe unserer gültigen Stimmen spüren. Und wenn sie mich fragen, welche der demokratischen Parteien man wählen sollte, dann rate ich ihnen, bringen sie das Machtgefüge durcheinander. Die Neuen müssen sich behaupten und die Alten, die Abgewählten müssen sich erst einmal wieder bemühen Berlin und Brandenburg zu verstehen.

Vielen Dank!

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